Exposé zum Buch: "Notizen aus dem Leben der Malen Radi!" nunmehr "Sie sind nicht Handke und schon gar nicht Kafka!"
A) Ausgangsposition: Die Geschichte einer Frau, um die dreißig, welche
unerwartet verhaftet wird und dann für drei Monate in Abschiebehaft
landet. Am Ende wird sie unschuldig freigesprochen, hat aber ein halbes
Jahr ihres Lebens im Gefängnis gesessen. Der Stempel lasstet nun ihr
weiteres Leben auf Ihr. Haftschäden und Folgen werden 10 Jahre später
wieder sichtbar. Unerwartet wird sie wieder festgenommen und diesmal in
die Psychatrie gebracht. Nun ist es klar, einmal Häftling, immer
Häftling. Die ewige Angst wieder ins Gefängnis zu kommen, wieder
Strafverfolgt zu werden ist Relaität. Es hilft ihr niemand. Mutterseelen allein
unternimmts sie verschiedene Fluchtversuche, bis Amerika. Aber sie kommt
immer wieder zurück, da gibt es ja ihre Töchter und eine
Liebesgeschichte.
B) Entwicklung der Handlung bis zur Krise: Immerwieder lebe ich in
einer ständigen Existenzkrise. Ohne Z"ukunft, ohen Einkommen und ohne
Geld, ..."schreibt sie in Ihren Tagebüchern. Kleine Utopien und Höhenflüge
lassen sie am Leben und immer weiter strampeln. Aber schlimme
Kopfschmerzen und und eiternde chronische Entzündungen, wechseln mit
Herzschmerz und großen Depressionen. Schafft sie es aus dieser Krise
herauszukommen?
C) Entwirrung: Eine
Lösung wäre eine Aufgabe. Da zu sein, für andere Opfer von Justiz und
Politik. Für eine Reform der Gefängnisse zu kämpfen und sich der
Öffentlichkeit zu stellen. Eine Femme Fatale und eine Rebellin, wie
Charly Rau, Klaus Schnellenkam oder Edward Snowden. Sie symphatisiert
und fällt auf, wird straffällig oder auch nicht. Macht immer Fluchtpläne
und erzählt Ihren Töchtern "die Geschichte von Dumpel und Lumpel", die
auf dem Jupiter eine Raumstation für Zebras bauen wollen.
Märchen,
Erfindungen, Vernebelungen lassen unklar werden, wer sie ist, diese
Malen Radi. Eine Mutter, die um ihre verlorenen Töchter trauert. Eine
Frau, die lieben möchte und statt dessen zu Sex genötigt wird. Andauend
und ohne Ende.
Das Buch begann als Novelle, als Einblick in die
Gedanken, eines Tages eines Fluges nach Brasilien- Weltmeisteschaft!. Daraus wurden tägliche Statements und nun wird es
scheinbar ein Roman. Aber sie schwimmt im Haifischbecken der Verlage
und versucht Ihre Geschichte zu verkaufen. Träumt wieder von einer Villa
und eigenen Pferden, wieder davon weiter zu züchten und mit Ihrer
Familie zusammenleben zu können. Wieder Utopien, wieder Zeit für
Tabletten, wieder unerreichbarer Ruhm.
Sie fällt tief, in einen Schlaf und träumt davon, auf einen Stahlträger an einem Kran zu hängen und durch die Lüfte zu fliegen.
Das ist das neue Buch: "Die Notizen der Malen Radi!"
Im
Blog als Leseprobe unter: MalenRadi.blogspot.com nur zum privaten
Gebrauch einsehbar! Unter dem Titel:" Mädchen unter sich..." gibt es die
ersten Hörbuchleseproben auf Youtube!
Kommentare und Kritiken sind erwünscht!
Sie sind nicht Handke und schon gar nicht Kafka...
Samstag, 23. August 2014
Neues Layout und einige Bilder...
Sie
sind nicht Handke und schon gar nicht Kafka. Aufzeichnungen und
Notizen aus einer Zeit im Gefängniss.
Begegnungen und Erzählungen drumherum von Malen Radi im Jahr 2014.
ICH
WILL, ABER ICH DARF NICHT!
Ichbingefangen,
ichwillfreisein, ichwilldenkendürfen, ichwillwasichwill,
tununddenkendürfen, ichwillfreiatmenkönnen,
ichwilldurchWiesenlaufen, durchWälder, inWäldernlebenundlieben,
ichwillküssen,
ichwilldasLebenlieben, ichwillfreisein, morgenmöchteichraus,
ichwerdeKraftbrauchen,
meinGeistdarfnichtaufgeben,ichwillwiederichsein,
ichwilllassendürfen,was ichwill, ichwillnichtausdenRhythmuskommen,
ichwillfreidenkendürfen, ichwillnichtfürden Sozialismusleben,
ichmagkeinePolitik, ichwillfreisein, ichwillMenschsein,
ichwilldahinwoichwill,
ichwillalles,
ichwilldieWeltkennenlernen, ichwillmichspüren, ichwillmichrühren,
ichwillkaufen, ichwilllachen, ichwillnichtalleinsein,
ichwillnichtisoliertsein, ichwillhinaus,ichwilllieben,
ichwillstarksein, ichwilldurchhalten, ichwilllausche,
demWindunddenMenschen, ichwilldieVögekhören, ichwillfreisein,
ichwillichsein, lasstmichhinaus, ichwillmichnichtbrechenlassen,
ichwillnichtsterben, ichwillleben, ichwillMenschsein,
ichwillautonomsein, ichwillerwachsensein, ichwillimmehrichsein,
dürfenundwollen, lachenundlieben, ichwilldassiewissen,
dasmanMenschennicht brechenkann, ichwilldassiespüren,
dassieunrechttun, ichwilldassiemeineMachtspüren, Menschzusein,
ichzusein, individuellzusein, ichsein, Menschsein, lautsein,
lachendürfen,liebendürfen, wollendürfen, denkendürfe, ichsein,
ichwillfreisein, ichwillMenschein, ichwillraus,
ichwillhierwiederraus!!!
Allessollneswissen,
keiner darf es vergessen! Ich will ich sein!
Sie
sind nicht Handke und schon gar nicht Kafka. Sie sind was sie sind
und müssen büßen. Heute in Gedanken im Irak und bei all den
Menschen, die hungern, frieren und kein zu Hause habe. Fü den
Frieden, für die Schwachen und für die Armen. Für alle Menschen
denen Leid und Unrecht zugeführt wird. Gegen Machthaber jeder Art.
Gegen die Verletzung der Menschenrechte und gegen Krieg im
allgemeinen. Ganz allgemein sollen sie gelten die Schreie derer die
Schmerzen haben.
ZUGVOGEL
Zugvogel,
Deine
Freunde
Sind
Stürme,
Reisende
Über
dem Ozean...
Sie
ist in der Frühe,
Dein
Sehnsuchtsflügel,
die
Mitternachtssonne,
das
Abendstrahlen-
Und
alle Gestirne
Winken
und rufen:
Sei
standhaft!
Eine
Hälfte deines Lebens
Ging
mit ihr fort...
Zugvogel,
sieh den Felsen,
die
weißen Flügel
der
Wiedergefundenen,
Verlorenen,
Geborgenen
Über
dem Seelenozean...
von
Achim von Hirscheydt.
Die Sehnsucht
eine Legende zu werden, sowie den Gefängnistagebuchnotizen, und
diversen anderen Aufzeichnungen gerecht zu werden. Ziemlich verwirrt
und in diversen Kontexten spiegelt sich wieder, was einer fühlen
kann. Eine steht hier für viele. Der Sinn ist es das Leben einer
Europäerin in unserem Jahrhundert darzustellen, um zum Nachdenken
anzuregen. Was sind die Folgen der Geschichte der vergangen
Jahrhunderte. Was war zum Beispiel am 24. März 1999!? Laut Handke
ein Datum, welches in den Himmel eingraviert gehört, in
Leuchtbuchstaben! Was passiert, wenn wir nicht auf unsere Familien,
Freunde und unsere Mitmenschen achten. Wie schlimm Kriege und atomare
Bedrohungen sich auswirken auf jeden von uns. Ob wir nun direkt dabei
sind oder waren, oder nicht. Für jeden verändert sich die Welt und
sein persönliches Leben. Für jeden entstehen ganz persönliche
Bedrohungen.
Frühlingsstimmung,
Vogelgezwitscher und eine laue Prise. Sie steckt ihren Kopf in ihr
Tagebuch, rundum all ihre Bücher und Aufzeichnungen. „Finde ich
einen Grund meine Geschichten aufzuschreiben? Muss ich im
Selbstverlag alles alleine machen, oder bekomme ich Hilfe und
Unterstützung und von wem? „ Man soll sich nicht mit den Staaten
anlegen. Man soll ein braver Bürger sein. Denke an Edward Snowden.
Sie ist stolz, das es Menschen wie ihn gibt. Möchte ihm gerne
helfen.
'im Ringen der
Anschauungen für den europäischen Geist und die humanitäre
Gesinnung eine Tribüne zu sein' (Zitat aus den Statuten des Europa
Verlages.)
Sie sitzt im
Zug, vor sich die Literaturliste, bzw. ein Auszug:
Konrad
Heiden: Adolf Hitler. Das Leben eines Diktators. Das Zeitalter der
Verantwortungslosigkeit. Europa, Zürich 2007, ISBN 3-905811-02-2.
(Vorwort zur Neuauflage 2007, über Oprecht als Verleger.)
Alexander
Hildebrand: Oprecht, Emil Adolf. In: Neue Deutsche Biographie (NDB).
Band 19, Duncker & Humblot, Berlin 1999, ISBN 3-428-00200-8, S.
581 f. (Digitalisat). Ich bin auf der Suche nach einem Verlag. Und
satt nach Frankfurt zu reisen und endlich die verschiedensten
Gespräche zu führen, bin ich im „Aus“ gelandet. Fühlt sich an,
wie auf einem Abstellgleis. Ob das gut ist oder nicht, das werden wir
erst im Lauf der Zeit herausfinden. Jedenfalls scheint es so, als
wenn es notwendig ist, dass man mit der Öffentlichkeitsarbeit und
eine deutlichen PR Arbeit beginnt, noch bevor man sich so wirklich
präsentiert. Ganz im geheimen und sehr verborgen zu arbeiten ist
natürlich nett. Aber dann in ewiger Abhängigkeit? Lass deinen
Blindenzauberstab
Meine Schläfen
berühren,
Den Sehenden
Mich zu Dir
führen...
So begann ich und
Wusste nicht
weiter
im Regen... Zur
Zeit ist es wirklich lästig, dieser viele Regen. Jeden Tag schüttet
es! Erkundet sein
Leise beflügeltes
Eilen
Die Mauern,
Die
Menschenhindernisse,
Die Fesseln des
Erinnerungsschweren,
Ausgesetzt auf
Marmornen
Kirchenstufen? Und ewig werde ich die Atmosphäre in der Toskana
lieben. Karren, elende Pferde,
Bärtige Männer,
Sie schleppen
dich fort
in das
hundertjährige Ringen... Deine Abschiedsblicke,
Weiße Sonne,
dein Winken, Näher und ferner. Aus sternlosen Meeren. Die Gedichte
und Worte des Achim gehen mir nicht aus dem Kopf! „Die Sehnsucht
zum Meer zu kommt, jedes Jahr, diese Sehnsucht bleibt ungebrochen.
Weiter mit meinem Thema, welchen Verlag werde ich finden? Wer wird
mich vertreten wollen?“
Der 1933 vom
Schweizer Verleger und Buchhändler Emil Oprecht gegründete Verlag
veröffentlichte während der Zeit des Nationalsozialismus vor allem
Werke von verfolgten Autoren und galt damit als so genannter
Emigrantenverlag. Auch war der Europa Verlag einer der wichtigsten
Theaterverlage der damaligen Zeit. Emil Oprecht gehört zu den
legendären Verlegern des vergangenen Jahrhunderts, der in täglichem
Kampf für die Unterstützung Verfolgter, gegen zunehmenden Druck
auch der schweizerischen Zensur und gegen alle ökonomischen
Widerstände aufrecht blieb. In dem halben Jahrhundert des Bestehens
seines Verlages standen im Programm Autoren und Bücher im
Vordergrund, die für die Würde und Freiheit des Menschen eintraten.
WOLKENBÄNKE
Wolkenbänke,
Halte die Winde
an,
Daß sie lauschen
Den schwarzen
Wellen des
Flusses...
Wolkenbänke,
Schiffe der
Winternacht,
laßt uns reisen
Mit getrösteten
Stürmen...
„Immer kommen
mir die Gedichte von Achim von Hirscheydt in den Sinn, die ich so
gerne habe.“
In Memoriam, es
ist vorbei und doch nicht!
Ich habe
geträumt, ich mache eine Oper mit T. Schuler aus der Geschichte der
Anuschka Brown. Mit den Liedern, welche wir 2006 in Wien produziert
und mit der Razumovsky Gesellschaft, in deren Palais uraufgeführt
haben.
GEFLÜGELTE SONNE
Aus feurigen
Dornen
Steigt die
Geflügelte
Sonne,
Und erwärmt
Im Friedensgesang
entrückter
Krieger
Die vibrierenden
Meere. ( A. v.H.)
„So
sexy, sind sie die Worte, dieses Dichters! Mein
Körper erschüttert durch und durch, bei diesen Worten. Die Bilder
erscheinen vor mir.“ Dann, im Fernsehen die Bilder von Fidelio, die
in einer Gedenkstätte eines ehemaligen Stasigefängnisses, gerade
zur Premiere kommt. Ich habe Recht. Es ist ein wichtiges Thema und
wird
es wohl noch einige Zeit bleiben. Ich bin
nicht die einzige, ich bin einen von vielen, denen Unrecht geschehen
ist! Warum erfahre ich nichts über meinen Großvater? Warum wir
alles verschwiegen. Wieso erfahre ich erst jetzt, dass meine
Großmutter Ihre ersten zwei Töchter und Ihren ersten Mann in
Auschwitz verloren hat. Wieso haben meine Stiefgroßeltern soviel
Kummer mit Ihren Kindern erleben müssen? Wieso wurden sie von ihnen
verurteilt? Das Machtausüben,
das Wegnehmen, das Enteignen, das Verbannen und Erniedrigen, ebenso,
wie das etwas Verlieren, Weggenommen bekommen haben, Geplündert
werden, Besitz verlieren, wieder aufbauen müssen, wieder beginnen
müssen, nichts mehr haben, alles verlieren.
Ein anderer
berichtet: „Es schmerzt alles schmerzt, die Erinnerungen alles.
Es geht nicht mehr weg. Strafe, die bleibt, wie ein Wikinger der
verstoßen wurde. Alles ist Strafe. Es gibt kein Leben mehr ohne
Strafe. Alles tut weh. Nichts geht mehr. Ich versuche auf und ab zu
gehen. Genau fünf Schritte kann ich machen. Mache ich kleine,
schaffe ich auch sechs oder sogar sieben. Ich mache aber lieber einen
richtigen Schritt. Also was soll ich machen. Es tut so weh. Ich bin
völlig zerbrochen. Hätte ich Schmerzmittel. Ich würde sie
schlucken. Ohne Ende. Nur um die Schmerzen zu bekämpfen. Man kann
das nicht beschreiben. Nicht ausdrücken. Diese Schmerzen. Ganz
allein. Alles ist Strafe. Ich bin ernüchtert. Ich bin gefangen. Im
Schmerz. Da komme ich nicht mehr heraus. Die Erinnerungen sind
gnadenlos. Es tut weh. Alles tut weh. Ich kann nicht sitzen. Nicht
gehen. Nicht stehen. Liegen darf ich nicht. So kann ich wenigstens
die Zeiten unterscheiden. Wann ich liegen darf, und wann nicht. Das
Licht geht selten aus. Ich verbinde mir die Augen. Ich kann nicht
mehr schlafen. Ich bin so erschöpft. Aber körperlich? Also mir tut
alles weh. Im Herzen. Mein Körper. Mein Geist, die Seele. Ich kann
das nicht beschreiben. Man kann das aushalten. Es kommt kein
fröhlicher Gedanke mehr. Keine Erinnerung. Es gibt nichts mehr. Ich
bin leer. Ich bin allein. Und es ist meistens Licht. Und immer weine
ich innerlich. Aber keine Träne kommt mir mehr. Ich bin leer und
voller Schmerzen. Kann mich nicht erinnern das jemand mit mir
freundlich gesprochen hat. In den letzten Jahren. Ich bin leer. Ich
fühle mich sterbend. Ich warte auf den Tod. Ich kann nur noch auf
und ab gehen. Ich fühle mich so KO, so geschlagen. Nichts gibt es
mehr. Gar nichts. Kein Funke Lebenslust. Kein Lachen. Ich bin schon
lange tot. Und doch nicht. Ein Häufchen Elend voller Schmerzen. Man
nannte mich mal. Jetzt nennt mich niemand mehr. Ich werde sterben und
es wird mich doch immer geben. Ich bin nicht wie Jesus, aber ich bin
wie ein Märtyrer. Ein Opfer. Ein etwas das bestraft wird. Ich bin
etwas voller Schmerzen. Überall. Ich kann nur sagen soviel Schmerzen
gibt es. Wer kann das ausdrücken, wenn man so einer ist. Einer der
Leiden muss. Einer der das Leid trägt. Ich glaube an Gott und daran
das es Opfer geben muss. Für die Menschen. Für alle. Ich bin es, so
ein Opfer und ich muss büßen. Ich bin so voller Leid und Unwohl.
Ich kann mich nicht erinnern mich einmal wohl gefühlt zu haben. Doch
kleine Momente gibt es jeden Tag. Jeden Tag verfluche ich, das ich
sie überleben muss, um der Nachwelt zu erzählen, wer ich war. Ich
kenne die Strafe, die Folter. Ich kenne das Elend der Bestraften.
Braucht der Mensch das Bestrafen, um zufrieden zu sein? Oder sich
sicher zu fühlen vor wirklichen Mördern und Verbrechern? Aber die
findet man ja nicht im Gefängnis, die wissen sich zu schützen.
Braucht es immer Menschen, die Strafe ertragen müssen. Zu Recht oder
Unrecht. Es ist alles willkürlich. Denn, wer bestraft und
verurteilt, der ist nie ein Opfer gewesen. Der kennt weder das
Vergeben noch das falsche Urteil, der urteilt aus irgendwelchen
Gründen. Historisch ist das. Wann wird es das nicht mehr geben, das
Menschen, Menschen verurteilen dürfen? Ist dem Mensch nicht klar,
das Strafen schmerzt und weder heilt noch Wunder vollbringt? Strafe
ist immer ungerecht und ein politischer Häftling immer ein Opfer der
Politik.
Und
ich ich bin so dumm nicht mehr an Flucht zu glauben.(Aber die
Realität holt mich ein, fliehe ich vor Berlin? Vor München? Warum
zieht mich Wien so an? Ist es die Sehnsucht nach der Heimat?) Ich
habe die Hoffnung aufgegeben
und begraben. Auch wenn ich mir täglich kleine Gemeinheiten, erlaube
um die Wärter zu ärgern und ihnen ihre Arbeit schwer zu machen. Das
ist meine kleine Freude. Wo kann ich ihnen weh tun. Wie kann ich sie
treffen. Was kann ich tun um ihren Machtbereich in Frage zu stellen.
Ich freue mich dann, ich lache innerlich. Aber ich zeige ihnen immer
meine grinsende Fresse, ob ich Schmerzen habe, oder nicht. Ich bin
stolz. Es vergeht nicht. Meinen Stolz kann man nicht brechen. Mich
kann man nicht zwingen, meine Schmerzen zu zeigen. Mich kann man nur
töten. Ich werde nicht vergessen, was man mir angetan hat. Meine
Schmerzen sind für alle. Ich habe so fürchterliche Schmerzen und
ich werde sie nie heilen können. Nicht einmal der Tod wird mich
erlösen. In der Hölle sollen alle meine Peiniger schmoren. Ich
verfluche sie alle. Mein Fluch lastet auf dieser Generation. Die
Peiniger und Verantwortlichen, die haben mir nicht nur ein Denkmal
gesetzt. Die haben mir die Macht gegeben sie zu verurteilen, für
immer. Durch mein Opfer. Durch mein Sein. Meine Schmerzen, mein Leid
und mein Tod, der bleibt. Der brennt sich in die Geschichte ein.
Keiner wird mich vergessen. Keiner soll mich vergessen. Jeder wird
meinen Namen kennen. Jeder wird wissen, ich stehe für die ungerechte
Bestrafung von anders Denkenden. Ich bin ein Rocker und ich bleibe
ein Rebell. Hier enden die Gedanken, die Erinnerungen, welche ich mir
immer und immer wieder anhören muss und will. Ich acht ihn für
seinen Schmerz. Menschenrechte hin, Menschenrechte her!
Sie reißt mir die Augenbinde von den Augen. Gott
sei Dank. Kein Albtraum. Das alles war
Wirklichkeit. Ich weiß jetzt, wie ich Dir ein Denkmal setzen kann.
Gott sei Dank bin ich nicht allein. Im Moment. Jetzt muss ich meine
alten Manuskripte herausholen sie wieder durchlesen. Eine Story,
eines Versuches, das Leben zu bewältigen? Dem Leben etwas
abzugewinnen, aus ihm etwas Besonderes zu machen? Sie versucht dem
Dolmetscher zu erklären, dass sie Angst hat, für schuldig
gesprochen zu werden. Sie hat zwar keine klare Ahnung für was sie
alles angeklagt wurde, aber sie hat Angst. Und sie weiß, ihr
früherer Geschäftspartner hat es ihr angedroht, dass er sie ins
Gefängnis bringen werde, weil sie nicht mit ihm zusammen sein
wollte. Mit welcher Geschichte hat es angefangen? Welches Kapitel
soll ich aufschlagen. Sie sitzt jetzt ihrer alten Schulfreundin
gegenüber und möchte ihr die Geschichte erklären und die
Tagebücher vorlesen. Ein Gefängnis aus Ziegelsteinen für gut
tausend Häftlinge. Männer und Frauen, am Stadtrand. Man sieht von
manchen Fenstern entweder über die Hügelkette oder auch über das
Stadtpanorama. Eigentlich ein ganz schöner Blick hinaus. Der ständig
die Lust auf Fluch auslöst. Bewölkt, kein Hauch regt sich. Totale
Windstille! Lieber Gott, das ist nicht wahr. Ich bin tatsächlich im
Gefängnis. Was soll das, wie lange werde ich hier bleiben. Drei
Tage, oder drei Monate? Im Gefängnis angekommen, eingekleidet in die
Anstaltskleidung kommt sie erst einmal für eine Woche in eine
Isolierzelle im Erdgeschoss. Sie wird beobachtet, wie sie sich
verhalten wird, so eingesperrt. Sie starrt die Wand an. Noch gibt es
sogar eine bunte Tapete und recht viel Platz. Später sollte sie
feststellen, das zwar das Alleinsein in den ersten Tagen sehr hart
war, aber besser als gleich den Machtstrukturen in einer winzigen
Zelle ausgeliefert zu sein, die dann nur noch halb so groß sein
sollte, wie die, in der sie am Anfang war.
Am Ende der
ersten Woche hatten Sie dann die ersten Kontakte mit anderen
Neuzugängerinnen, da war sie schon Herrin ihrer Lage und konnte
trösten.
Umsiedelung
in das obere Stockwerk. Endlich wieder etwas Licht! Und Xaver, er
schreibt täglich!Vorwärts und nicht vergessen. Vorwärts,
was wird morgen sein. Ich darf nicht immer zurückblicken. Es sind
ewige Albträume, die Erinnerungen. Und
jetzt die Manuskripte. Sie holen mich ein. Die Blätter fliegen um
mich herum, alle durcheinander.
ABENDSONATE
Mit seinen
Winterlichen
Flügeln
Umarmte
der Abendwald
Wanderers
Schatten,
Mondes Eulenauge
Tat sich auf.
Sanft
erschrockene
Gleichgültigkeit
Zart eilender
Rehe,
Rauhe Weisheit
Verborgener
Abendkrähe.
(Rauhe Weisheit,
Kälte ohne
Ende.)
Um die
Geheimnisse
wehenden Schnees
Wußte der
Zweibeiner
Todesspuren
Belächelnder
Marder,
Ein Abendhauch
Durchzitterte
Äste wiegend
die graue Ödung.
Sie
dreht sich im Kreis, immer starrt sie auf die Wand vor sich. „Ganz
still war es um mich, seit ich geschieden bin, suche ich die Ruhe,
die Klausur und die Einsamkeit. Ich habe Angst bekommen, vor den
Menschen. Bereits seit zwei Tagen, oder sind es zwei Wochen, oder
vielleicht zwei Monate, oder Jahre? Die Zeit ist für mich irrelevant
geworden. Seit ich verurteilt wurde. Die Angst ist gewichen, die
Angst vor dem Gefängnis, aber nicht die Sorge, vor Strafe und auch
nicht das Gefühl am Ende zu stehen.“ Grimm's Märchen sind heute
mein Thema. Insbesondere das Schneewittchen. Weil Schneewittchen und
Dornröschen, sowie Schneeweißchen und die Sterntaler immer so eine
Mollstimmung in mir aufkommen lassen. Zur Zeit lebe ich in Moll.
Morgens, wenn ich aufwache, dann höre ich Moll-Klaviersonaten und
Konzerte in Moll. Von einem einem Moment in den anderen werde ich so
melancholisch. Die anderen Grimm´s Märchen. Brüderlein und
Schwesterlein (meine Schwestern werden wohl nie erfahren wie
wichtig mir die Schwesterliebe ist!), sowie Frau
Holle und Rotkäppchen waren mir auch wichtig. Meine Mutter hat es
geliebt sie mir vorzulesen. Ich lese sie meinen Mädchen aber noch
viel zu selten vor. Hoffentlich finden sie Zeit, sie ihren Kindern
einmal vorzulesen. Schneewittchen und die sieben Zwerge. Dieses
Märchen habe ich immer und immer wieder gelesen! Immer bin ich in
die Rolle dieses schönen Mädchen geschlüpft. Immer wollte ich
Schneewittchen sein. „Es war einmal mitten im Winter, und die
Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel herab, da saß eine
Königin an einem Fenster, das einen Rahmen von schwarzem Ebenholz
hatte, und nähte.“ So poetisch finde ich diese Bild. Noch heute
ist es das Madonnenbild in meinem Herzen.
Ich nähe auch
wieder und sitze am Fenster, wenn ich schreibe, nachdenke und
arbeite.
„Und wie sie so
nähte und nach dem Schnee aufblickte, stach sie sich mit der Nadel
in den Finger, und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee.“ ….Oh
je.
„Ihre Pässe
bitte!“....Schneewittchen muss sich retten!
Ach, bitte
…schnell! Wie könnte ich fliehen. Ich schau mich um. Viele
Menschen. Warum habe ich nicht trainiert gut laufen zu können. Jetzt
wäre es eine Chance. Hier auf dem Bahnhof. Hier steh ich noch ohne
Handschellen, ohne Gitter ohne eisernen Griff. Später als ich zum
Gericht gefahren wurde, erinnere ich mich. Dort auf dem Bahnhof wäre
es die Beste Chance gewesen um davonzulaufen und sich zu verstecken.
Nun verschlingt mich die Justiz. „Nun war das arme Kind in dem
großen Wald mutterseelenallein und hatte große Angst und wußte
nicht, wie es sich helfen sollte.“
WARNUNG
Kind, hüte dich
Vor den Augen
Des
Märchenbrunnens!
Die Wiesen
Seines Spiegels
Tragen dich
nicht,
Auch nicht
die wolkenweißen
Abendpferde...
Es dämmert
schon!
Die klugen
Brunnenschlangen
Ringeln sich um
deine
Zögernden
Füße...
Eile!
Besinne dich
nicht!
( Achim v.
Hirschheiydt)
„Da fing es an
zu laufen und lief über die spitzen Steine und durch die Domen, und
die wilden Tiere sprangen an ihm vorbei, aber sie taten ihm nichts.“
(Ganz mutig und kühn, oder?) Gott sei Dank, bin ich nicht geflohen.
Noch heute wäre ich auf der Flucht. Ein Leben im Untergrund. Immer
wieder male ich es mir aus. Was ich weiß von Anne Frank und anderen.
Ich weiß es geht. Es geht unter den schlimmsten und schwierigsten
Umständen. Es gab immer Menschen die das geschafft hatten, so einer
wollte ich sein. Dann endlich bei den sieben Zwergen! Aber wie diese
Zetern! Wer hat von meinem Tellerchen gegessen und so weiter. Wie
poetisch. Ich muss mir dieses Gezeter immer unter den Kindern
anhören. Das ist meins, Wieso hast Du das? Wieso bekommst Du etwas,
was ich nicht habe? Dann sah sich der erste um und sah, daß auf
seinem Bettlein kleine Vertiefung war. Da sprach er: „Wer hat in
mein Bett getreten?" Die anderen kamen gelaufen und riefen: „In
meinem hat auch jemand gelegen." Als der siebente aber in sein
Bett sah, erblickte er Schneewittchen, das lag darin und schlief.
Einer der Schönsten Momente ist es, jemanden im Schlaf zu
betrachten, der sich ausruht. Entspannt ist und gerade keine Sorgen
hat. „Da erzählte es ihnen, daß seine Stiefmutter es hätte
umbringen lassen wollen, der Jäger hätte ihm aber das Leben
geschenkt, und da wäre es den ganzen Tag gelaufen, bis es endlich
ihr Häuslein gefunden hätte.“ Die Zwerge sprachen: „Willst du
unseren Haushalt führen, kochen, Betten machen, waschen, nähen und
stricken, und willst du alles ordentlich und rein halten, so kannst
du bei uns bleiben, und es soll dir an nichts fehlen." Das
versprach Schneewittchen und blieb bei ihnen. Die Gute! Die Königin
aber, die glaubte, Schneewittchens Lunge und Leber gegessen zu haben,
dachte an nichts anderes, als wieder die Erste und Allerschönste zu
sein, und trat vor ihren Spiegel und sprach: „Spieglein, Spieglein
an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?"
ich möchte auch
immer schön sein und ich möchte es auch meinen Töchtern bei
bringen, den Wunsch immer schön und geliebt zu sein.
AN EINE DIE
FORTGING
Leichter als
Frühwind
Verhauchte
Dein
Abschiedskleid
Rosengolden
Am westlichen
Himmel.
Bald werden
Die Gebirge und
Hügel
Unter den
Lichtergedanken
der Sterne
Dunkelheit sein.
Sieh das
Abschiedsglühen
der Sonne,
Ihre Lippen
Berühren das
Herz,
Die gebeugten
Gräser. (A.v.H)
Dieses Märchen
wird nie enden und immer so weiter gehen. Gott sei dank kann ich es
auswendig. Satz für Satz. Was bleibt ist eben das, was man im Kopf
hat. „Da antwortete der Spiegel: „Frau Königin, Ihr seid die
Schönste hier, aber Schneewittchen über den Bergen, bei den sieben
Zwergen, ist noch tausendmal schöner als Ihr." Da erschrak sie,
denn sie wußte, daß der Spiegel keine Unwahrheit sprach, und
merkte, daß der Jäger sie betrogen hatte, und Schneewittchen noch
am Leben war.“
Meine
Kinder haben jetzt eine Lügendetektor am Handy und probieren das
aus. Wann klingt etwas wahr und wann erkennt man die Lüge und woran
liegt das? Nur am Tonfall? Und da sann und sann sie aufs neue, wie
sie es umbringen könnte; denn solange sie nicht die Schönste war im
ganzen Land, ließ ihr der Neid keine Ruhe. „Nun will ich dich
einmal ordentlich kämmen." Das arme Schneewittchen dachte an
nichts Böses und ließ die Alte gewähren; aber kaum hatte sie den
Kamm in die Haare gesteckt, als das Gift darin wirkte und das Mädchen
ohne Besinnung niederfiel. „Du Ausbund von Schönheit", rief
die boshafte Frau, „jetzt ist's um dich geschehen" und ging
fort. Zum Glück aber war es bald Abend und die sieben Zwerglein
kamen nach Hause. …..„Ach Gott, wo bin ich?" rief es. Der
Königssohn sagte voll Freude: „Du bist bei mir", und
erzählte, was sich zugetragen hatte und sprach: „Ich habe dich
lieber als alles auf der Welt; komm mit mir in meines Vaters Schloß,
du sollst meine Gemahlin werden." Da war ihm Schneewittchen gut
und ging mit ihm, und ihre Hochzeit wurde mit großer Pracht und
Herrlichkeit vorbereitet. Die Königin mußte fort und die junge
Königin sehen. Und wie sie in den Ballsaal trat, erkannte sie
Schneewittchen, und vor Angst und Schrecken stand sie da und konnte
sich nicht regen. Es waren schon eiserne Pantoffeln auf ein
Kohlenfeuer gestellt; die wurden mit Zangen hereingebracht. Da
mußte sie die rotglühenden Schuhe anziehen und darin tanzen, daß
ihre Füße jämmerlich verbrannten, und sie durfte nicht aufhören
zu tanzen, bis sie tot zu Boden fiel. Wie beeindruckt war
ich als von einem Seminar gehört habe, bei dem man lernt über
glühende Kohlen zu gehen, ohne sich zu verbrennen. Ist Einbildung
auch eine Bildung, oder kann man doch über Wasser gehen. Ich denke
es ist möglich unmögliches wahr zu machen. Und ich glaube an
Selbstheilung und die Visionen Berge zu versetzen. Auch das man mit
dem Kopf durch die Wand laufen kann, mag schmerzhaft sein. Aber auch
erfolgreich. Fluch, Sehnsucht nach einem
Stillstand. Still war es um sie geworden,
bereits seit zwei Tagen. Kaum Schritte, kaum ein Geräusch. Sie war
im Keller eines sehr alten Gefängnisses. Das Fenster war zugeklebt.
Sie konnte sich nicht orientieren. Draußen
war sie auch noch nicht gewesen. An den
ersten drei Tagen in Haft, bekommt man noch keinen Hofgang.
Man soll sich erst einmal beruhigen. Außerdem war Wochenende.
Nichts. Stundenlang nichts. Sie starrt das Waschbecken an und die WC
Schüssel, gleich neben der Tür. Sie hat nichts zu tun, als auf und
ab zu gehen und nachzudenken. Sich selbst zu fühlen. Wie es sich
anfühlt, eingesperrt zu sein. Nun es fühlt sich leer an. Am Montag
dann endlich geht die Zellentür auf. In den letzten zweiundsechzig
Stunden ist nur die Klappe aufgegangen für das Essen, die Knödel
und das Brot, am Morgen und am Abend. Morgens mit Butter, abends mit
Streichwurst. Nun bekommt sie endlich Gesellschaft. Ein Neuzugang.
Wer ist das. Sie weint die ganze Zeit. Ja, es ist nicht leicht
verhaftet worden zu sein. Sie ist leer und still geworden und hofft
auf die kleinste Veränderung. Auf die Veränderung von
Lichtverhältnissen und Geräuschen im Raum und vom Gang her. Dann,
sie kann nichts tun und nichts anfangen, mit diesem neuen Mädchen.
Außer ihm zu sagen, das jetzt sehr lange gar nichts passieren wird.
Das Nichts zu ertragen ist am Schwersten. Nichts tun zu können,
außer seinen eigenen Kopf zu gebrauchen. Die Gedanken schwirren
herum. Warum musste ihr das passieren. Was war geschehen? Was hat sie
falsch gemacht. Wer wollte sie im Gefängnis sehen und wer hat sie
und warum überhaupt angezeigt? Also, alles dreht sich im Kreis. Sie
macht sich vorwürfe, nimmt die neu Angekommene in den Arm. Sie
sprechen nicht die gleiche Sprache. Sie kann ihr nur sanft über das
Haar streicheln. Sie weiß, das tut gut. Bei ihr war niemand da, in
den ersten Tagen. Niemand, der sie getröstet hätte, niemand, der
ihr beigestanden wäre. Einfach nichts und niemand. Gar nichts. Kein
Stück Papier, kein Stift, kein Mensch, kein Hauch, kein
Sonnenstrahl, keine Worte, keine Stimmen, einfach nichts. So ruhig,
als wenn sie alleine wäre, in diesem riesigem Gefängnis. Nun sollt
sich das ändern. Die Tür ging noch einmal auf, noch eine andere
Frau! Jubel, ein weiterer Mensch. Aber auch wieder Stille, weil keine
gemeinsame Sprache vorhanden war und keine Worte für die einfachst
Kommunikation gefunden werden konnte. Nur ein Hallo, dann schlief sie
auch schon, später weinte sie still und leise stundenlang vor sich
hin. Dann der erste Hofgang, zu dritt. Wie aufregend! Also, da gab es
endlich etwas zu sehen. Auf der linken Seite scheinbar der
Männertrakt. An den Fenstern hingen einige Jungs und winkten. Dann
auf der anderen Seite der Frauentrakt, dort waren aber die meisten
Fenster geschlossen. Eigenartig. Aber die Fenster dort waren auch
alle viel kleiner und eher nur so kleine Luken. Wir wurden gefragt,
wie wir heißen, wie lange wir schon da sind und woher wir kommen.
Die Jungs wollten alles wissen. Wir hatten Angst zu plaudern und
schauten eher nur auf den Boden. Dann flog ihr ein Zettelchen vor die
Füße! Wie wunderbar, mit Herzchen darauf, was für ein Glück, ein
Verehrer! Blickwinkel verschieben sich.
Der Erste, der
Beste, der Liebste, Valerie! Nun war die Welt gerettet. Die Sonne
strahlte. Eine frische Priese zog durch den Hof. Valerie schickte ihr
seine Zellenadresse und eine Briefmarke und schrieb, sie solle ihm
schreiben. Man dürfe sich untereinander Post schicken, von Häftling
zu Häftling, über den Briefträger und die Post. Es dauert nur
einen Tag! Wie glücklich war ich. Endlich jemand, mit dem ich
sprechen konnte. Endlich jemand, mit dem ich schreiben könnte. Ich
war der glücklichste Mensch auf der Wellt, dachte sie! Dann am
nächsten Tag hatte sie Besuch von einer Anwältin und wurde in eine
andere Zelle verlegt. Außerdem durfte sie aus ihrem Koffer ein paar
Dinge, ein Buch etwas zum Schreiben und ein Foto herausnehmen. Sie
kam in eine kleine Zelle, aber mit offenem Fenster. Alles ganz
desolat und heruntergekommen, aber sehr sauber! Später sollte sie
den Putzrhythmus kennenlernen. Jeden Tag wurde zweimal gefegt und
alles gewischt. Außerdem mussten sie wirklich alles gut aufgeräumt
halten. Einmal im Monat, kam ein Kammerjäger, der sprühte alles mit
Gift ein, so daß keine Läuse und Kakerlaken auf die Idee kommen
konnten sich hier einzunisten. Kamen sie auch nicht. Sie sollte nie
eine Spinne, Mücke, Flieg, oder sonst ein Tier sehen. Es gab hier
nichts. Keine Grashalme und keine Tiere, kaum Luft und nur vier
andere traurige Frauen. Recht anonym war alles, weil sie fast keine
der Sprachen konnte, die hier gesprochen wurden. Abschiebehaft im
Ausland. Super, was für eine Abgeschiedenheit. Nun, nach fast einer
Woche konnte sie endlich den ersten Brief schreiben. Und ihr Tagebuch
beginnen. Sie wollte noch einmal zurückblicken auf diese ersten Tage
und was sie dann doch von den zwei Frauen gelernt und erfahren hat,
die mit ihr waren. Zuerst einmal deren Namen, die waren sehr exotisch
und sehr fremd, dann deren Erscheinungen, die eine sehr klein, aber
Mutter von drei Kindern. Die andere sehr groß und sehr hässlich,
auch Mutter von zwei Töchtern. Beide sahen sehr unschuldig und sehr
verzweifelt aus. Und auch sehr fremd! Beide weinten viel, fluchten
und manchmal standen sie einfach verzweifelt und sehr still herum.
Sie versuchte herauszufinden, was geschehen sein konnte. Selber
dachte sie bei sich, das es gut sei, das sie nicht vermisst wurde. Es
war still, aber nun, in dieser neuen Zelle, gab es viele neue
Ereignisse. Zuerst einmal eine ganz andere Geräuschkulisse vom Gang,
viel mehr Schritte, viel öfters Bewegung und großes Geschrei. Bald
lernte ich die Wärterinnen zu unterscheiden und das Fauchen von
Charlotte kennen. Dann, in der Zelle durften wir morgens und abends
jeweils ein paar Stunden das Fenstern öffnen, schrieb sie in ihr
Tagebuch. Draußen konnte man auf die Hofzellen sehen, von oben. Und
Valeries Fenster war keine fünf Meter entfernt, was für ein Glück.
Ihr Herz jubelte und so bekam die erste Briefpost durchs Fenster!
Pläne
braucht man immer.
Wieder
Wochenende, Sonne und Einsamkeit. Keine
Sicherheiten und keine Geborgenheit, sondern ständig das Gefühl, es
wird sich etwas ändern müsse.
WINTERNACHT
Winternacht,
Schneelichter
Reiter
Über den Weiten.
Weiße Windfrauen
Leuchten dem
Fliegendem Heer.
Eisnebels Tücher
Verhüllen
Kapelle und
Eiche.
Fuchses lauschen,
Traumworte
Plaudert die
Quelle. (Achim v. H.)
Es
stürmt, hagelt regnet und schneit, ein echtes Aprilwetter. Ganz
still war es um mich, bereits seit vier Tagen. Ich war hier in dieser
Zelle ganz allein. Es war das Wochenende nun endlich vorbei und sie
hatten zum ersten Mal Hofgang. Liebe Anuschka! Grüß Dich, ich habe
gestern mehrmals Deinen Namen gerufen, aber DeinZellenfenster blieb
immer verschlossen. Hast Du mich gehört? Ich möchte dass Du immer
weißt, dass ich jede Minute des Tages an Dich denke. All meine
Gedanken sind immer bei Dir. Morgen bekommst Du das erste Mal Post
über den Briefträger von mir. Gäbe es doch einen Spalt in den
Wänden, immerzu würde ich mit Dir flüstern wollen. Wird das
überhaupt Deine erste Post hier sein? Wie lange bist Du schon hier?
Zehn Tage? Oder sind es schon mehr. Ich habe Dich, von der ersten
Minute an, geliebt! Als ich Dich zum ersten Mal gesehen habe Du hast
mir so gut gefallen, bist hübsch und so nett anzusehen. Du bist hier
in der Knasthölle angekommen und trotzdem lachst Du und schaust
fröhlich aus, das ist erstaunlich und bewundernswert. Ich habe
wirklich begonnen Dich zu lieben. Viel Glück wünsche ich Dir,
möchtest Du meine Brieffreundin sein? Dein Valerie Und so existiert
sie, obwohl sie wirklich nicht begreifen kann, was hier passiert und
wo sie sich jetzt eigentlich befindet. „Liege ich auf einer schönen
Wiese unter Apfelbäumen oder bin ich dort in der Vergangenheit, oder
in einem Albtraum? Aber eines ist sicher, ich existiere, ich werde
geliebt und ich erlebe jeden Tag etwas dass mein Sein rechtfertigt.
Schlimmes, gutes und reales. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden
sind sicher ein paar auch gute und glückliche dabei. Gerade fühle
ich mich nicht gut. Aber ich weiß es, diese Regel von den guten und
schlechten Stunden des Tages.“ Die stimmt fast immer. Deswegen kann
der Mensch überall überleben, sogar im Konzentrationslager, weil er
immer etwas findet, was ihn auch freut. Und wenn es nur ein Grashalm
ist, an den er sein Herz hängt. Aber die zweite Welt, die irreale,
in der ich mich befinde, die besteht aus dem was ich denke, aus
meiner Vergangenheit, die mich hier scheinbar eingeholt hat und aus
meinen Träumen. Ich sollte gleichzeitig mehrere Bücher schreiben.
Habe ich ja schon immer gemacht. Die Phantasien und Erzählungen des
Tages, welche aus der Begegnung mit den Tragödien der Mithäftlinge
besteht, belastet mich ungemein. Fertig möchte ich damit sein und es
abschließen. Mich reinigen und einen Schlussstrich ziehen können.
Aber das geht nicht. Alles kommt immer
wieder zurück. Am Häufigsten in
meinen Träumen. Ein Traumbuch mit Reflexionen und eben ein Tagebuch.
Eines, welche die Ereignisse hier ganz atmosphärisch beschreibt.
Eines, welches meinen Sinneseindrücke reflektiert, wie z.B. meine
Erinnerungen an Goethe; „Über allen Gipfeln ist Ruh!“ Ruhig ist
es hier, fast den ganzen Tag lang. So viel Ruhe hatte ich noch nie.
Gestern habe ich die gesamten Goethezitate entdeckt, die hätte ich
wirklich große Lust auswendig zu lernen. Erinnere mich an meine
Versuche als Schauspielerin. Mir käme es fast vor wie eine gute
Therapie oder eine Kur, bzw. ein Sanatorium, wenn nicht diese irre
Armut, der Befehlston und die Strenge wären Dann könnte ich meine
Beobachtungen aufschreiben und die Gegenstände, weiterhin die
anderen Mithäftlinge beschreiben, sowie, wie man mit uns umgeht. Das
sollte ich ganz neutral beschreiben. Es ist ungeheuerlich und sehr
schwer zu ertragen. Die Physiognomie aller Dinge, bzw. das Wesen
aller Objekte in einer Haftanstalt, ist interessant. Wie der Hof
aussieht, in dem die Gefangenen spazieren gehen dürfen, wie die
Zellen, die Gänge. Und auch die Duschen. Der Bewegungsraum ist
klein, viel Neues gibt es nicht. Die Tage vergehen, wie in Thomas
Manns Zauberberg die Jahre vergehen. Die Zeit bekommt einen
gleichmäßigen Gang. Förmlich einen Fluss wie der Flusslauf eben
eines solchen. Er plätschert dahin, so, wie die Ereignisse
gemächlich dahin plätschern in einem sanften Moll. Spannend ist
eventuell noch der öffentliche Trakt, in den man nur darf, wenn man
zum Beispiel eine Aussprache mit dem Pfarrer hat. Das war es. Sonst
gibt es noch den Tag, den bedeutenden Gerichtstag. Und dieser wird
tagelang erwartet, wochenlang herbei gesehnt und dann besteht er nur
aus warten. Und ausharren. Die Mahlzeiten fallen aus. Die Zeit wird
abgesessen in kleine Räumen und Fenstern, den Schleusen. Stundenlang
sitzt man dort drinnen und wartet. Man wartet, das sich die Tür
öffnet. Größer ist ja der Radius gar nicht mehr, denn alles spielt
sich im Kopf auf. Die Überlegungen, wie man fliehen könnte und
entkommen. Aber das gibt es nicht mehr das entkommen vor der
Realität. Das ist aufgehoben, die Möglichkeit etwas selber zu
bestimmen. Das wird jetzt vielleicht die Realität für zehn Jahre.
Wirklich, zehn Jahre Haft steht auf das, wofür sie angeklagt ist.
Gott sei Dank steht sie nicht unter Mordverdacht, sondern nur Untreue
als Geschäftsführerin. Das ist ja wenigstens ein Kavaliersdelikt.
Nun gut, wenn man schreiben darf, kann man diese Klausur ja
vielleicht aushalten. Sie denkt an Ulrike Meinhof und andere
Berühmtheiten, die durch die Bücher, welche sie in Haft geschrieben
haben, bekannt wurden. Den das ist ihr das Wichtigste Bekannt zu
werden. Eine Legende und eine Besonderheit zu sein. Das ist der Sinn
des Lebens. Etwas besonderes gemacht zu haben und wenn es nur ein
besonders ungewöhnliches Leben sein wird. Die Blüten sind das
Schönste. Die Apfelblüten. Abendbrot im Abendrot.
Abendbrot!
Endlich. Abendrot, die Sonne geht jetzt langsam wieder später unter.
Das Glück, das doch wiederkehrt, was der Autor auch auf seine
Wiederbelebung des Märchens bezieht. Sie liebt die Vermischung von
realem und irrealem, von Wirklichkeit, erträumten und ausgedachtem.
„Mir ist es unheimlich. Ich träume oft von Verstecken. Heute hatte
ich wieder zu eine doppelte und fast märchenhafte Ebene im Traum.“
Es war ein komplizierte biegsame Leiter auf der man die Strecke nur
erfolgreich hinunter kam, wenn man vorher nachdachte. Ohne Denken
geht es nicht. Nur wenn man vorher an deren richtigen Stelle einen
anderen Knick angebracht hat, nur dann schaffte man es. Ansonsten
drohte man in der Mitte hängen zu bleiben. Sozusagen in der Luft zu
schweben und weder rückwärts noch vorwärts zu können. Am Ende
waren wir in einem Baumhaus welches in ein Haus eingebaut war, so daß
man aber von außen nicht realisieren konnte, das es dort noch eine
Innenwelt gab. Durch eine kleine Luke oben kam Luft hinein. Aus
irgendeinem Grund wurden wir aber entdeckt und mussten daher ganz
still sein. Durch ein Schleudersystem wurden wir zusammengequetscht.
Ein Mann und ich, der auch noch einen Sohn hatte, der alles mit
bekam und entsetzlich Schrie! Also, was das alles zu bedeuten hat.
„Ich
denke an all die Literatur, die ich so gelesen habe in meinem Leben
und werde ganz nachdenklich, aus einer Haltung kritischer Ironie.“
In den Dialogen und Streitgesprächen der Romanfiguren findet sich
eine scharfsichtige Zeitdiagnostik, sagt man über Thomas Mann. Das
schwebt mir auch vor. Zeitzeugin zu sein und ein Mahnmal. Jemand der
erlebt, reflektiert und mitteilt, damit Veränderung möglich ist.
Viel Unausgesprochnes zehrte an ihr und erst recht an mir. Viele
Erlebnis belasteten sie und ich denke an all die Trennungen, an all
die gepackten Koffer und dieses große Bedürfnis von mir nach einem
Haus und einem Ort an dem all meine Sachen sind. Alles will ich
aufbewahren. Jedes Stückchen Papier. Jede Erinnerung. Jedes
Kleidungsstück. Nichts mehr darf verloren gehen. Ich hänge an allem
und habe dabei das Gefühl wirklich verrückt zu werden. Mein Kopf
platzt. „Und darum hatte sie auch gar nicht an ihrer Vergangenheit
zu tragen“, das wird es bei mir nicht geben. Das soll mir nicht
passieren. Dann sind nicht nur meine Gedanken wichtig, sondern auch
die Ereignisse in Zusammenhängen. Die Geschichte beruht ja auf einem
tatsächlichen Ereignis. Die Namen der Beteiligten sind besser zu
ändern, oder nicht!? Soll ich sie auf die erste Letter mit Punkt
reduziert. Weitere Namen werde ich zur Poesie der Geschichte
verändern, wenn die dadurch Betroffenen einverstanden sind lasse ich
einige auch real, damit es ihnen dient, als direktem Dank für die
Ereignisse. In meinem Kopf kreisen so viele Gedanken. So viele
Sorgen. Wie kann ich es verhindern, das sich jemand wiedererkennt.
Jemand aus meinem Bekanntenkreis plötzlich meint, ich würde etwas
persönliches berichten. Heute bin ich sehr betroffen, ob es gut ist
diese Geschichte zu publizieren, oder ob sie nicht besser noch
zwanzig Jahre liegen bleiben sollte, bzw. einfach nur für meine
Nachkommen da ist. Die Geste, des Dankes ist mir wichtig. Nach Thomas
Mann schließen sich Lebenstüchtigkeit und seelisch-geistige
Differenzierung aus. Diese Annahme folgt einer literarischen Strömung
des ausgehenden 19. Jahrhunderts, für die Nietzsche den Begriff
Décadence in den deutschen Sprachgebrauch eingeführt hat. Wie sehr
sich die Lehre vom pathologisch degenerativen Ursprung der Genialität
damals verbreitete und bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs zum
Modethema wurde, beweist u. a. die Bibliographie, die der Psychiater
Wilhelm Lange-Eichbaum 1927 in seinem Bestseller Genie und Wahnsinn
veröffentlichte. Denn über fünfzig Freunde und Bekannte haben mich
in dieser Zeit mit dem Nötigsten und vor allem mit Literatur und
Post versorgt. Aber auch ganz simple Dinge, wie Seife, Shampoo und
Neskaffee waren wichtig, um diese Zeit zu überstehen. Der Mangel an
Bewegung war schlimm zu ertragen. Und dann gilt mein Dank natürlich
auch: Frances Decang, Ilse Sommer, Suzanna Züp, Marietta Brown,
Beatrice Bankmann,
Elena Licht, Jacquline Hagebuch, Rose-Marie Zeppelin, Gisele Anders,
Charlotte Fink, Kathrin Gruen, Lilli Blau, Winnie Buchbaum, Angela
Carlos, Anuschka Gordon, Valentina Philipp, Zoe Hochegger, Lisbeth
Muni, Paulina Kraus, Sophia Mühlbach, meine Leidensgenossinnen, die
mir Ihre Geschichten erzählt haben und mit denen ich so viele
Stunden und Tage zusammen gelebt habe. Die Namen möchte ich zu
Romanfiguren entwickeln. Das ist mein Plan. Die Briefe, die ich
später an sie geschrieben habe füge ich später in die Texte ein.
Am Meisten bewegen mich aber die Antworten und die Geschichten, was
aus all meinen Leidensgenossinnen geworden ist. Ich bin erschüttert,
wie schwer das Leben für viele Frauen immer noch ist und wie wenig
die Emanzipation gerade für die Frauen aus dem Ostblockländern
schon Realität ist. Wir kämpfen immer noch gegen Armut, gegen die
Macht der Männer für unsere Kinder, für die Liebe.
SPIELMANN RACHE
„Vergeßene
Perlen
Leihe ich
Meinem Kleid“,
Meintes Du noch-
Und entschloßene
Hornissen
Streichelnd dein
kicherndes
Klavichord,
Zum
Gardinengesang
Aus papierner
Blüte
Großmütterlichen
Mandolinengetändels:
Vom Todesbalken
Tropft es-
Tapetengetriller...
( Achim v. H.)
Liebste Anuschka,
meine geliebte Brieffreundin, danke für Deine Antwort, ich habe mich
sehr gefreut auch von Dir Post zu bekommen. Ich weiß, ich bin der
einzige der hier deutsch spricht und daher hast Du keine Wahl, aber
mir ist das recht! Ich liebe Dich! Schön, dass Du meine Freundin
bist, ich werde Dir jeden Tag schreiben! Du wirst sehen, dadurch
vergeht die Zeit schneller, Dein Valerie! Valerie und Alesch, sowie
Milan und Matthias, die Brieffreunde
Ein besonderer
Jahreswechsel, eine besondere Fastenzeit! Weitere Darsteller:
Anuschka Brown, ich! Tanja Kirchberg, Mutter von zwei Kindern. Miriam
Ludomirkovic, ebenfalls Mami, eine Tochter, aus MoldaZürich.
Palovina Zettel, eine blondhaarige Zigeunerin, deutschsprachig. Petra
und Bianca Kumasic, aus Bulgarien, beide sehr schweigsam Paula Nusic,
aus Polen, ganz lustig und recht jung. Nathalie Kempinski, 15 Jahre,
eine Mörderin? Sowie: Frances Decang, soll eine
Kreditkartenbetrügerin sein, Ilse Sommer, hat gestohlen, Suzanna
Züp, behauptet Urkunden gefälscht zu haben, Marietta Brown, ist der
Geldwäsche angeklagt, Beatrice Bankman, hat sich mit einem Gauner
eingelassen, Elena Licht, hat Blüten gedruckt und ist sehr stolz
darauf, Jacquline Hagebuch, fälschte Ihre Lohnzettel und betrog
Ihren Arbeitgeber, Rose-Marie Zeppelin, ist wegen Mordversuch
angeklagt worden, ist aber unschuldig, Gisele Anders, hat einen
falschen Pass benutzt, und ist wegen Grenzkontrollverstoß und
illegalem Grenzübergang angeklagt, Charlotte Fink, hat ständig die
Unterschrift Ihres Mannes gefälscht, und dadurch viel Chaos
angerichtet, Kathrin Gruen, hat sich falsche Pässe machen lassen,
Lilli Blau, hat versucht ein Auto zu stehlen, Winne Buchbaum, hat
ebenfalls Dokumente gefälscht, Angela Carlos, hat sich prostituiert,
Anuschka Gordon, war in einer Spielhalle verdächtigt worden wegen
Falschspielerein, Valentina Philipp, ist Hehlerin, Zoe Hochegger,
eine Diebin, angeblich aber eher unschuldig, Lisbeth Muni, ist wegen
einem fehlendem Visum da, Paulina Kraus, hat auch einen falschen
Pass, Sophia Mühlbach, ist wegen einer Schlägerei verhaftet worden.
Soweit ein Überblick über alle weiteren Mithäftlinge. Sie ist in
einer Fünfer Zelle gelandet. Es ist sehr eng und meisten sogar zu
wenig Luft zum Atmen. „Es sind vier sehr gute Frauen, mit denen ich
jetzt zusammen bin.“ Eine ganz junge, ein 15 jähriges Mädchen,
welches beschuldigt wird seine Großmutter umgebracht zu haben. Zwei
ganz kriminelle Bordellchefinnen. Eine ältere Lehrerin. Eine
Historikerin. Verschiedene Neuzugänge und Abgänge. Eine sehr
strenge Wärterin Charlotte und eine sehr gute, die anderen ohne
Namen. Ein Pfarrer. Eine Richterin, eine Staatsanwältin, ein
Dolmetscher. Verschiedene Transportwärter, Aufpasser und Wächter.
Weiterhin verschiedene Polizisten. Wenn wir uns in einem Film
befinden würden. Dann säßen wir jetzt im Zug, hätten gerade die
Hauptstadt verlassen. Die letzten Stadtbilder zögen an uns vorbei.
Das Abteil, recht voll, keine freien Plätze mehr. Sechs Personen.
Auf dem Gang auch viele Menschen. Ein Gedränge, Polizeikontrolle.
Suchen Sie jemanden? „Bitte Ihre Pässe!“ Unter anderen wird auch
Deutsche wird kontrolliert, alle Pässe werden mit Blaulicht
eingescannt. Wen suchen Sie? Eine ungewöhnlich scharfe
Personenkontrolle. „Bitte, Sie müssen mitkommen, Ihr Pass ist
nicht in Ordnung!“ Sie erinnert sich, als wenn es gestern gewesen
wäre.
"Spürst Du, kaum ein Hauch!" Draußen ist es Windstill. Gefängnismauern halten dicht. Hagel, draußen stürmt es wenig später. Dann ein schöner Regenbogen, Sonne und endlich kein Wind mehr. Wie die Ruhe nach dem Sturm, war das. Bringen Sie mich erst einmal auf den Stand, was war damals eigentlich los? Warum wurden Sie verhaftet und wie ist es dazu gekommen. Fragen die aufkommen.„In Kürze, wegen einem Mann, den ich stehen gelassen habe. Weil ich nicht mehr wollte, wie er wollte? Oder, weil ich zu mutig war?“ Sie versucht einen Rückblick, aber vieles hat sie schon vergessen. „Zuerst verbrachte ich einige Wochen auf dem Rücken der Pferde, dann ein Sturz der alles verändert hat.“ Ich konnte nicht mehr gerade gehen, alles hat sich gedreht, ein Gehirnschädeltrauma. Ein Trauma, begann damit ein großes Trauma? Am 12. Mai 2007 hatte das Stück im Düsseldorfer Schauspielhaus Premiere.
Also, wir
befinden uns jetzt auf einem Holzstuhl in einem größeren Raum, auf
der Wache. Drei Personen sind da, außer der gerade verhafteten
Frau. Eine Story, eines Versuches das Leben zu bewältigen? Dem Leben
etwas abgewinnen, aus ihm etwas Besonderes zu machen? sie hat Angst.
Und sie hat Angst vor der Macht des Bösen. Mit welcher Geschichte
hat es angefangen? Welches Kapitel soll ich aufschlagen. Bücher,
Bücher verfolgen. Sie bleibt bei sich selbst und hat Angst. Sie
beginnt Listen anzulegen, was sie gerne alles lesen würde. z.B. Von
Thomas Mann und Mitgliedern der Familie Mann über die Familie Mann.
„Meine Angst, vor dem „alleine Leben“, habe ich aus dem Weg
geräumt, in dem ich mich dazu entschlossen habe, Nathalie und ihre
Familie, mit ihrem zwei Kindern aufzunehmen und mit ihnen zu leben.
Für sie irgendwie auch zu sorgen. Habe sie so sehr ins Herz
geschlossen.“ So ein Aberglaube. Phantasien einer
Großgrundbesitzerin. „Hoffentlich ist ihr Mann nett. Aber sie ist
so clever, so arbeitswütig, so sauber, dass ich mich schon sehr
darauf freue.“ Bin gespannt, was sie mir auf meinen Brief
antwortet. Unsere Paketfeste hier waren immer so super. Meine ganz
persönliche Geschichte lasse ich hier im Moment noch aus, weil sie
gut durchdacht gehört! Es gibt auch so viele Gründe sie für sich
zu behalten. Nur die Phantasie der meisten Menschen geht mit ihnen
durch, wenn sie nicht die wahre Geschichte kennen. Ich habe Angst,
alles was ich schreibe, kann auch beschlagnahmt werden und gegen mich
verwendet werden. Daher schreibe ich besser nichts über die
Vergangenheit, denke ich. Ich mache besser keinen Bericht, über all
die unglücklichen Ereignisse und Geschehnisse, warum ich nun hier in
dieser Lage bin, warum ich zur Haft ausgeschrieben wurde. Besser
berichte ich es nur meinem Anwalt. Aber ich versäume nichts. Aber
ich sorge mich, dass auch alles in die richtigen Hände kommt und
nichts kopiert wird und dann direkt an die Richterin geschickt wird,
welche mein Urteil sprechen wird.
Ich fürchte mich ...
Wieder kommen mir
die Gedichte von Achim in den Sinn, ein ewiger Trost:
FORT! Fort!
Verlassene Bank!
Als ich mich
niedersetze
und kalten
Marmelsteines
Wange netzte
Mit sauren Irrens
Freudenjammerqual,
Heizte mich nach
Dein heißes
Zweythgesichte,
So wonnenreich
getheylth
Und
sündensonnenweiß!
O der Entflogene,
Rein von
Mannesschweiß!
Wüßt´ich in
Eitlem
Grabestraum
doch um das
Ganze!
Fort! Fort!
Ach, Amors
Seydenbettenwurm!
O
paraidesesschlangenzarte
Gott-sey-bey-uns-Wanze!
Gryphius?
Oder doch nicht?
( Achim v. H.)
Nun
will sie sich endlich einmal mit den bedeutendsten Schriftstellern
befassen, mit Hermann Hesse, Carl Spitteler, Elias Canetti und
Elfriede Jelinek. Anna Martha Wainerwrught machte Ihren Vater zum
Thema eines Songs, sie sagt im Rückblick über Ihre Eltern: "wir
waren schließlich nicht die Familie Von Trapp! Aber die Probleme,
die ich mit meiner Mutter und meinem Dad habe, sind wahrscheinlich
bei Weitem nicht so groß wie die meiner Freunde und deren Eltern -
weil wir keine Geheimnisse voreinander haben." Ich hatte immer
Geheimnisse. Ich kann mir sowieso gar nicht vorstellen keine
Geheimnisse, und kein eigenes Leben zu haben. Ich finde Privatheit
wichtig! Aber in der Liebe sollte man sich natürlich vertrauen.
"This is not amerika!" David Bowie liebe ich sehr. Die
Radioberieselung aus dem Hof tut mir gut. Hier aber hier zählen die
Frauenbegegnungen. Diese Situation, jetzt, hier im Gefängnis, sie
ist ja sowieso schlechter als in einem richtigem Spielfilm. Alles ist
zu ungeheuerlich und so unglaublich schlecht. Aber ich bin schnell
prominent geworden, als einzige Deutsche und „schön“ finden mich
alle. Das ist Öl für meine Haut. Fühle mich, zurückversetzt,
mindestens um fünfzig Jahre Weltgeschehen, wenn nicht sogar um
hundert. Wie werden sie sich verhalten, was wird mein Stiefvater dazu
sagen? Wie meine Ex-Freunde und Geliebten reagieren? Macht es mich
spannend? Werden sie neugierig, was sich alles hinter mir versteckt?
Aber ich bin gut. Mit Kriminellen möchte ich gar nichts zu tun
haben. Ich hasse es, wenn man mich mit ihnen in einen Topf wirft. Ich
mag auch kein schlechtes Gerede über mich. Ich finde das wirklich
fürchterlich. Was mich interessiert sind eben all die unschuldigen
Gefangenen, all denen welchen das Leben so schlecht mitgespielt hat.
Und natürlich die politischen Häftlinge und die Rebellen. Hier ist
alles so, als wäre man wirklich in eine Zeitmaschine gesteckt
worden, retour. Alle werden jetzt irgendwie getestet werden. Die
Wahrheit über Freundschaft und Zuneigung kommt jetzt ans Licht. So,
wie sich meine Freundin, die Gitti bereits als echte Freundin
erweist! So tolle Post! Am Meisten schreibt mir im Moment aber Sonja.
Auch von Alexandra und Ulla bekomme ich sehr liebe Briefe. Die
Normann´s halten ebenfalls richtig zu mir. "Das Mädchen aus
dem Song", ich lese es bereits seit zwei Tagen diese Buch haben
es mir angetan. Ich werde ganz sentimental. Die Rolling Stones, die
Beatles, Bob Dylan und Suze Rotolo; Paul McCartney und Elton John,
The Velvet Underground und Pink Floyd, die Musik meiner Jugend.
Lieder und Songs die mein Herz bewegen. Die Suche nach der großen
und einzigen Liebe. Weine nicht. Bitte ich will das nicht. Was macht
Deine Stimmung? Bitte, ich möchte nicht, dass Du traurig bist. Hast
Du schon genug vom Gefängnis, stimmt´s!? Bald ist es vorbei, Du
wirst sehen. Irgendwann haben auch die ganz schlimmen Erlebnisse ein
Ende. Später musste ich feststellen. Das dies nicht stimmt. Es ist
wie ein Geruch, den man nie mehr los wird. Es haftet und geht nicht
weg. Wenn man lustig ist vergeht die Zeit schneller. Gleich werden
wir spazieren gehen. Ich werde aber hier bleiben, um Dir zu schreiben
und Luftküsse schicken zu können. Ich liebe Dich, Du wirst sehen,
unsere Zukunft wird sehr schön. Schreibt mein Brieffreund. Werden
wir uns einmal wiedersehen? Marianne Faithfull schreibt dazu auf Seit
21 ihres poetischen Buchs, " Wenn man ein gutes Gefühl hatte,
machte es man einfach; es wäre die reinste Heuchelei gewesen, nicht
mit jemandem zu schlafen, nur weil er oder sie mit jemand anderem
zusammen war." Das kenne ich, dieses Gefühl von
Unverbindlichkeit in der Liebe. Sex ist eine Laune des Augenblickes
und es verpflichtet weder, noch bringt es andere Verhältnisse
durcheinander. Es ist schön, aber nicht so wichtig. Man macht es
einfach aus einer Stimmung und einer Laune heraus. Aber ich verbiete
mir diese Auswüchse der Erotik. Ich habe natürlich Rapunzel dabei
im Kopf und Dornröschen. Die Prinzessin, die warten kann auf den
einen, den einzigen und den richtigen, diese Prinzessin möchte ich
natürlich gerne sein. Man macht nicht, was man Lust hat und ist
nicht irre aufgedreht und hypersexy auf die Jungs erst recht nicht,
wenn man angeklagt wird. Ein, zwei Wärter schauen auch noch zu und
sind auch noch elektrisiert, so etwas Verbotenes und Verrücktes zu
tun, soweit käme es noch. Aber es ist süß und sehr sexy, solche
Spielereien im Kopf zu haben, weil wir alle so irre ausgehungert sind
nach Liebe und so sehr bestraft, weil eingesperrt. Diese Phantasie
ist mir eine der liebsten geworden. Dieser Brief von Valerie hat mich
im Hof erreicht, heute früh! Suzanne hat immer Sex mit einem Wärter
in der Schleuse. Ich aber habe Sehnsucht nach den Küssen von Zsolt
aus Budapest, obwohl ich davon träume Felix zu heiraten und nun
diese Liebesbriefe hier, mit immer mehr Herzklopfen, fast täglich
erhalte. Haben wir uns zwar nur einmal geliebt, so ist er doch tief
in meinem Herzen gelandet. Wie sicher er war, dass ich ihn mit
offenen Armen empfangen werde. Er hat meine erotische Zuneigung zu
ihm sofort gespürt. Was ist los bei ihm? Wen liebt er? Was macht
sein Herz und wie sind sein Gefühle? Will er mit mir einen Film
machen? Denkt er an mich? Geht er viel spazieren? Liebt er mich ein
wenig? „You told me again ...you prefered. Some men! But for me you
would make an exception.“ Heute ganz liebe und sehr lange Briefe
aus Arad erhalten! Sehne mich so sehr nach Literatur. Klassische und
alte habe ich am liebsten. Die griechischen Tragödien, die machen
mich stark. Ob draußen noch ein Paket auf mich wartet. Habe die
Sorge, ob es meinem Vater gelingt eine Verteidigung für mich
aufzubauen? Nun schwimme ich wirklich in einem großen Chaos an
Emotionen. Wenn ich zurückdenke, dann ist alles wirr. Habe meinem
Anwalt alles bis ins Detail genau erklärt und geschrieben. Diese
Briefe sind wirklich eine große Beichte. Ob ich das jemals jemanden
lesen lassen werde? Ob er sie aus der Hand gibt?Am Meisten freue ich
mich über Gitti und das sie sich als so tolle Freundin entwickelt.
So ein nett zusammengestelltes Paket. Mit ganz viel Neskaffee kam
hier an und so viele richtige ganzen Tafeln Schokolade, die den
Aufenthalt in den letzten Wochen so versüßt hat. Ich, lerne zu
horten und zu sparen, obwohl ich auch gerne mit vollen Händen
austeile und verschenke! Regenwetter. Udo Lindenberg und Nina Hagen
singen; "Romeo und Julia". Bin aber auch sehr neugierig,
wie sich nächste Woche alles entwickeln wird. Ob ich am kommenden
Wochenende noch hier sein werde? Lieber wäre es mir natürlich, dann
schon "frei" zu sein und in Zürich. Gleich frei gelassen
zu werden, auf Kaution, direkt nach der Abschiebung, davon träume
ich. Aber eventuell lerne ich auch noch die anderen Gefängnismauern
von innen zu betrachten. Dort soll alles viel toller, besser und
fortschrittlicher sein. (Später musste sie feststellen, dass aber
der viel Beton und die modernere Ausstattung viel weniger Raum zum
Atmen lassen. Nur das man natürlich eine viel besser Disziplin
gelernt hat und sich dadurch dann auch besser fügen und benehmen
konnte war sofort zu spüren. So z.B. der Umgang mit Wärtern. Wie
man sich zu bewegen hat, wo man stehen und gehen durfte. Das hatte
sie tief im Blut und dadurch hatte sie gleich das Wohlwollen der
Wärterinnen auf ihrer Seite.) Die Wirklichkeit einer niederen
Dimension, wird durch eine Höhere nicht aufgehoben, sondern nur
relativiert. Schau nicht traurig, mein Herz ist bei Dir. Einmal
möchte ich Dir meine Heimat zeigen. Einmal möchte ich, dass Du
bitte mit mir kommst. Du hast einen schönen Gang und so eine tolle
Haltung, bitte lächle. Heute ist das Wetter schön. Ich wünsche Dir
einen schönen Tag, bis morgen, Küsse, Dein Valerie. Drüben, sind
zehn Personen in einer Zelle wird berichtet. Kino soll es auch geben.
Das hat nicht gestimmt, stattdessen Luxuszellen mit Fernsehen, wenn
man es sich leisten konnte. Soll ich schweigend beginnen, wenn ich
vor dem Richter stehe? Oder so: „Ich bin Katholikin, ich bete um
ein gutes Urteil. Ich bitte das Gericht, mir eine Chance zur
Wiedergutmachung meiner Schuld zu geben. Dazu brauche ich meine
Freiheit und die Möglichkeit wieder arbeiten zu können. Bitte geben
sie mir keine Gefängnisstrafe!“ Unglaublich, was ich alles für
Phantasien entwickeln kann, wieder arbeiten zu können und wie viel
Geld, wirklich viel Geld, ich verdienen könnte, das male ich mir
aus. Keine Wurstfabrik, aber eine Kleider- und Modeindustrie schwebt
mir vor. Die Träume sollen wahr werden. So viele Fragen. Wenn man in
einen Hungerstreik tritt, wie lange braucht man zum Sterben? Ich
denke wieder am meine Freundin Gitti in Arad und Ihre Arbeit beim
Rundfunk. Wie sie sich durchbeißt um ihre zwei Mädchen großzuziehen
und ihnen alles bieten zu können, was man so braucht. Die morgige
Wirklichkeit holt sie ein: „Anwältin, Staatsanwalt, Richter, ein
Dolmetscher und eine Tipse. Ein Stuhl, in der Mitte! Werde ich alles
richtig machen? Soll ich mich ausliefern lassen? Was habe ich für
eine Wahl und was für Möglichkeiten? Streik? Hungerstreik? Danach,
leere und Angst. Unsicherheit und Panik. Mein Puls geht schneller!“
Ich fühle mich so vieler Dinge beschuldigt. Schuldig,
nicht auf mich aufgepasst zu haben. Keine Vorsichtmaßnahmen und
Regelungen getroffen zu haben. Nicht gekämpft zu haben. Keine klare
Position bezogen zu haben. Nicht kleine Schritte unternommen zu
haben, um mich zu retten. Was wird alles auf mich zukommen? Was ist
mit meiner Liebe und einem Leben in Prag, oder eine Ehe mit wem? Will
er vielleicht doch mehr? Wie er mir gefallen hat! Was ich für ein
Bauchkribbeln spüre, wenn ich an ihn denke. Wann bekomme ich wieder
Post von ihm? Jeden Tag habe ich jetzt Post von Dir und Du bekommst
immer auch zwei-drei Brieflein, stimmst. Gut funktioniert unsere
heimliche Luftpost! Tausend Luftküsse, Dein Valerie. Wer wird mir
nächste Woche überhaupt alles schreiben? Post! Das Warten auf Post
ist eines der wichtigsten Momente hier, im Zellenleben." Post,
das freut mich ganz besonders! Post von all meinen Freunden. Die sind
alle treu und halten zu mir! Das ist toll! Hätte nie gedacht so gute
Freunde zu haben. Danke Gitti, Du bist wirklich eine tolle Freundin,
danke, danke, danke. Wenn ich aus diesem Teil meiner Geschichte einen
Film machen müsste, dann wäre das ein Songtitel. Danke, danke für
die Schokolade in den Knast. Danke Anuschka, für die Schokolade, Du
bist lieb, Du teilst sogar Deine Geschenke. Ich hatte keine
Schokolade für sechs Monate. Das ist wie ein Fest, Du bist sehr
lieb. Dein Valerie .„The clouds will be a daisy chain, so let me
see you smile again...“ Sehr mag ich zwar Songs wie, Danke, danke
für die Blumen von der Tanke von der Barbara Schöneberger, aber
auch das; „Ich will keine Schokolade, ich will einen Mann, ...“
von diesen Blue Velvet Jungs, deren Konzerte ich so sehr mag. Danke,
danke Gitti, für die Schokolade, den Kaffee und das Shampoo in den
Knast. Danke, Deine Pakete waren immer die wundervollsten. Immer eine
neue Lektüre und immer Schokolade und Kaffee. Danke, Danke für das
Horten lernen und die Menge an Schokolade, die mir viele Wochen
versüßt haben, die ich teilen konnte und mir wie Gold vorkamen,
danke Gitti, ich werde mich immer daran erinnern. Nun habe ich aber
Angst, Angst vor der Abschiebung und das Wissen, das ich dann wieder
ohne Hab und Gut dastehen werde. Man wird mir wieder alles wegnehmen.
Die ersten Tage ohne Pakete im neuen Gefängnis, ohne Post, die
werden wieder die kältesten sein. Ohne Schokolade und Lektüre im
Gefängnis, aber danke Gitti, "Danke, danke für die Schokoladen
in den Knast". Nun betrachten wir einmal die Realitäten. Jetzt
könnte ich eine Mediation gebrauchen. Lieber Gott, hilf mir bitte,
ich drehe durch ohne Deinen Segen. Keine Messe, kein Pfarrer. Jetzt
habe ich schon wochenlang darum gebeten. Wann ich endlich einen
Priester zu sehen bekomme. Ich will beichten. Ich brauche eine
Erlösung. Fühle mich für so irre viele Dinge belastet und so
gemein angeklagt. Bitte lieber Gott, mach dass ich bald beim Priester
einen Beichttermin bekomme. Anuschka: „Morgen ist mein Prozess
hier, hoffe dann bald nach Zürich transportiert zu werden. Werde
meine Bücher der Bibliothek hier stiften, oder mitnehmen, ich weiß
es noch nicht. Es gibt keine deutschen Bücher. Das werden die ersten
sein. Also lasse ich einige da und andere nicht!“ Im Angesicht des
Feindes, der Vorleser: „Mein Herz so weiß.“ Kein
deutschsprachiger Mensch soll hier je wieder eine solche langweilige
und schwierige Anfangszeit haben, wie ich! Hoffe sie lassen die
Bücher auch im Bestand und geben sie nicht weg. „Man spürt immer
noch diese Feindlichkeit gegen alles Deutsche.“ Endlich holt mich
ein Pfarrer ab. Es ist der einzige Mann, mit dem man einmal ungestört
und unbeobachtet länger in einem Raum ist. Ich bin nervös, habe
Sorge und Angst genötigt, oder sogar vergewaltigt zu werden.
Irgendwie scheinen mir diese Geschichten aber auch so ungeheuerlich,
eben einfach konstruiert, damit man nicht mitgeht mit ihm. Spüre
meine große Neigung immer das zu tun und zu denken, was nicht der
Mehrheit entspricht. Er wird angeprangert, wie der Teufel. Keiner ist
hier ein praktizierender Christ. Sitzt noch der Sozialismus hier in
den Mauern. Geschichtswissen und genaue Informationen über die
Vergangenheit ist hier auch für das Durchkommen entscheidend. Nun,
ist so viel Zeit vergangen, nun will ich auch mit ihm sprechen. Er
nimmt mich bei der Hand, wir gehen ewig lange Gänge entlang. Dann
werden Türen aufgeschlossen und plötzlich sind wir in einem Trakt,
der sich total vom den für Häftlinge unterscheidet. Wir sind in
einem Zimmer alleine. Fast eine Stunde. Ich sprudle alles aus mir
heraus, was mir wichtig ist und was ich im Kopf habe. Später habe
ich nie mehr von ihm gehört! Ein Mädchen aus unserer Zelle, erzählt
uns gerade, wie schlimm Ihre Mutter ist und war. Sie heult sich
richtig aus. Wir halten es kaum aus und haben alle eigentlich gar
keine Lust Ihre Seelentröster zu sein. Uns ist sie sehr anstrengend.
Andererseits ist sie auch etwas sympathisch, wie sie so beginnt
darüber nachzudenken, warum sie hier gelandet ist. Aber das ihre
Mutter schuld sein soll. Das mögen wir nicht. Wie lange wirst Du
noch hier sein, hast Du eine Idee, weißt Du schon etwas? Ich wollte
noch erzählen, wie meine Beichte zu Ende ging. Große Hoffnungen
habe ich in ihn gesetzt und darin, dass er mir hilft Unterstützung
zu bekommen und von all den wichtigen Menschen die ich kenne. Ganz
persönliche Sachen und Traumata, habe ich berichtet. Aber auch das
so schlecht über ihn gesprochen wird. Er hat mich nicht angerührt,
aber mir auch nicht geholfen. Er hat gar nichts für mich getan.
Hätte ich mich anbieten müssen? Nun, jedenfalls war es ein
Highlight meiner Tage und eine enorme Abwechslung und Aufregung!
Meine Freundin Sabrina trifft mich mitten ins Herz. Sie schreibt mir
von einem Telefonat mit meiner Mutter. Diese ist sehr traurig und
sehr deprimiert. Sabrina meint, sie wäre kaum zu trösten. Es tut
mir leid, wie schön wäre es, wenn sie zu Besuch käme, dann könnte
ich sie sicher trösten. Mir geht es hier nämlich jetzt ganz gut.
Fühle mich stabil und erwachsen. Habe nicht einmal so große Angst
vor einer langen Gefängnisstrafe. Die soziale Sicherheit und das
Versorgt sein, sind nicht schlecht. Das gibt mir ein Gefühl von
Geborgenheit verwandelt sich in eine kindliche Sicherheit. Draußen
habe ich das nicht. Der Kampf um das tägliche Überleben ist zu
groß. Ich schwimme da draußen nicht nur in einem Haifischbecken,
wie man so sagt, sondern fühle mich oft sehr verlassen und einsam.
Das Leben außerhalb der Zelle ist einfach viel härter. Mein Tempo,
welches ich immer zulege ist aber wohl mein Hauptproblem. Bin fast
ein „Nerd“ im Internet geworden. Du machst mir wirklich Angst und
Sorge. Wie komme ich jetzt darauf? Lese den Roman von Henning Mankell
„Die weiße Löwin“. Was ist, wenn man verschwindet. Ich komme
mir auch so verschwunden vor. Träumte heute Nacht davon zu heiraten.
Aber vorher habe ich selbst aus mir eine Ritterin gemacht und mich
zum Adel geschlagen. Ganz simpel mit einem Plastikschwert. Ein
komischer Traum. Vom meinem Ex-Freund, dem Gartenarchitekten
geträumt. Habe im Traum unsere Wohnung wieder betreten dürfen. Es
war schön. Ich habe das Zusammenleben in Prag mit ihm wirklich
geliebt. Dann, als ich aufgewacht bin, war es noch da, dieses Gefühl
einen lieben Menschen geliebt zu haben. Mir ist ganz warm ums Herz.
Was heute auf mich zukommt. Frühlingswetter. Ständig wechselnde
Stimmungen. Von wem ich heute Post bekommen werde? Bin fertig mit dem
Strindberg. Brauche dringend wieder Literatur. Theaterleben ist doch
sehr anstrengend. Immer diese neuen Engagements und dann wieder neue
Städte, neue Mitspieler und Kollegen. Das Theater fordert viel. Bin
ich froh, dass ich keine Schauspielerin geworden bin. Obwohl
Rollenwechsel und so verschieden Leben zu erleben auch mein Thema
ist. Schreibe Briefe, in Massen. Versuche alle Freunde zu aktivieren
und alle Kräfte zu mobilisieren. Hole mir von überall Hilfe.
Erzähle jedem mein Leid. Habe Gott sei Dank ein sehr volles
Adressbuch. „Protection“. Der Name der Rose von Umberto Eco, über
ein verschollenes Lachen. Der Teufel ist die Anmaßung des Geistes.
Ich tauche ein, in die Welt der Benedektiner Mönche. Und fühle mich
recht glücklich. Wieder gutes Wetter. Viel Wind. Nathalie erzählt
uns ihre Geschichte. Ich werde traurig. Die Tage ziehen jetzt rasend
schnell vorbei. Alles dreht sich immer schneller. Ich schreibe und
schreibe und habe Gott sei Dank auch genug Briefmarken. Manchmal muss
ich haushalten und mir überlegen, an wen ich die aktuellen Briefe
zuerst abschicke. Aber dann werden sie nur dicker und länger, wenn
sie länger bei mir liegen. Meine Briefe. Bin ängstlich, unruhig und
nervös! Hier fehlen mehrere Seiten, die sind unleserlich und
zerknüllt! Große Verzweiflung macht sich in meinem Herzen breit!
Figuren des Romans. Wie gerne hätte ich einmal einen Hund! Und
einige Reisen muss ich machen: Mit der Transsibirischen Eisenbahn
möchte ich einmal bis Wladiwostok fahren und retour. Und dann
natürlich die Chinesische Mauer sehen und auf der alten Seidenstraße
unterwegs sein, aber solange in China noch mehr als 3000 Menschen
jährlich zu Tode gerichtet werden, darf man dort kein Geld lassen
und sollte einen Bogen machen. Mittlerweile gibt es sicher über 15
Länder auf der Welt wo es gefährlich ist, als Christ hinzureisen.
Also bleibe ich bei meinen Büchern und dem Internet und reise
virtuell, sicher von zu Hause aus. Timbuktu und in die Südsee,
genauso wie Kanada und Irland sind interessant. Grönland lockt mich
auch und selber zu fliegen. Wie gerne hätte ich damals auf Mallorca
meinen Pilotenschein gemacht. Ist die Idee gut? Fliegen ist auch
gefährlich, es gibt viele Todesfälle. Mein Traumtagebuch hält mich
ganz schön auf Trab. Es belastet mich, was ich alles so träume.
Aber es fühlt sich auch etwas so an, als wenn ich meine
Vergangenheit verarbeite. Also, wie war das Boot fahren und Rudern
gehen, in meiner Kindheit? Das hatte ich heute zum Thema. Den Traum
ein Versteck zu bauen, mitten unter einer recht öffentlichen aber
sehr romantischen Brücke, haben wir nie realisiert. Ein
Geheimversteck für uns Mädchen, das wäre schön gewesen. Heute
läuft: Buddenbrooks; Regie: Heinrich Breloer. Mit: Armin
Mueller-Stahl, Iris Berben, Jessica Schwarz, Mark Waschke und August
Diehl. BRD 2008. Fünf Freundinnen, die Abenteuer erleben wollen. Und
von einem eigenen Hund träumen. Einem Gefährten. Ständig haben wir
all die bekannten Jugendbücher gelesen, von Tim und Struppi, Hanni
und Nanni und natürlich den fünf Freunden. Welche Ideen gab es
noch? Was wird passieren? Jetzt bleib mal auf dem Teppich und
schweife nicht immer ab! Ein Hund hier? Auf dem Flur, hab ich einen
gehört? Das kann nicht sein? Wirklichkeit, Traum, Visionen und
Fiktion beginnen sich zu vermischen. Werde ich verrückt? Muss ich
fliehen? Ja, langsam drehe ich durch. Ich entwickle eine Fata
Morgana. Ich erfinde wieder Fluchtträume. Über die Dächer. Ein
Sprung ins Tiefe und dann ab die Post. "Der Tote Tag" von
Ernst Barlach. Post von meinem Vater, die mich wirklich sehr traurig
macht. Interessant, das ich mich hier im Zellenleben so geborgen und
so gut aufgehoben fühle. Das liegt bestimmt an den vier super netten
Mädchen, mit denen ich hier zusammen lebe. Deren Geschichten, die
gehören auch erzählt. Dieser genaue Rhythmus hier und die vielen
Regeln, die geben mir ein Korsett, in dem ich mich recht gut bewegen
kann. Und so viel Zeit zum Arbeiten, zum Schreiben. Habe ein Buch
begonnen mit kleinen Erzählungen. Es geht dabei um die Orte meines
Lebens. Im Moment bin ich in New York und berichte, was mir dort
alles so passiert ist. Eine große ungeheuerliche Stadt, in der man
wirklich täglich sehr viel erlebt, wenn man sich frei und
ungezwungen bewegt und neugierig und mutig! Ein Kind verirrt sich im
Dschungel der Großstadt und braucht ewig, bis es wieder nach Hause
findet. Kein Problem, kein Ärger, niemand hat sie vermisst. Sie darf
sich alleine und sehr frei bewegen, sie ist noch keine acht Jahre
alt. Mitten in der Woche. Die Wochentage verschwimmen, aber die Sonne
scheint warm und sehr hell. „Darling, where are you, I miss you!
Milan. Mein Milan, danke, wieder ein Zettelchen von Dir, beim
Hofgang. Habe es bereits irre vermisst! Alles hat hier seine Ordnung.
Auch die Liebe. Die Jungs sind ziemlich treu und konstant in Ihren
Zuneigungsbeweisen. Ich habe eine Vision. Denke mir aus, dass das
hier alles nur ein Film ist und wir am Abend ins Hotel gehen. Da alle
so nervös sind vom Haftleben, in das sie sich hineinversetzen müssen
tagsüber, während gedreht wird, sind wir dann abends recht
ausgelassen! Gerät abends alles ziemlich außer Kontrolle machen wir
prinzipiell um 24.00 Uhr Sperrstunde, Licht aus und eine
Ruheanordnung. Das ist eines meiner Lieblingsphantasien. Es ist kaum
zu glauben, wie einem die Enge der Zelle nach einigen Monaten auf die
Nerven geht! Also ich habe das Buch Quergelesen und sofort begonnen
eine Liste zu machen und einen Plan. Soll ich mit der Scientology
Kirche zuwenden? Das Buch zu dem ich Kommentare und Aufsätze
schreiben soll heißt, „Arbeit“! Was mir Arbeit bedeutet? Kaum zu
glauben, ein Freund aus Zürich schreibt mir, dass ich mein Schicksal
absitzen muss. Das ich sicher schuldig bin und halt dazu stehen muss.
Er wünscht mir eine gute Bekehrung und eine besinnliche Zeit der
Einkehr und Stille. Wie gerne ich arbeite. Mein Dasein hier empfinde
ich auch als Job. Und ich schreibe fast mehr als dreizehn Stunden
täglich. Soviel könnte man in einem anderen Leben ja gar nicht
schaffen. Aber ich habe ja auch wirklich gar nichts zu tun, außer zu
schreiben. Also, ist das mein Job. Wenn ich nur endlich eine ganz
richtig und normale Arbeit hätte, eine Festanstellung, ein
regelmäßiges Gehalt. Frauenarmut ohne Verdienst, das bringt einen
um! Ein Rückblick in meine Vergangenheit, meine Liebe zu Italien,
gestern und heute. Träume schon immer von einem Leben in Italien.
Ich liebe die Kunst und das Lebensgefühl dort. Aber auch den
Lebensstil und eben das gute Leben. Else Lasker-Schüler begleitet
mich in diesen Tagen. Das hat sie schon früher. Ich liebe Ihr
gesamtes Werk. Meine Fragestellung in der letzten Woche war, was
mache ich falsch um eine Arbeit zu finden und zu halten. Warum
behalte ich nie lange eine Stellung? Da sich das nicht nur auf mein
Berufsleben bezieht, sondern auch auf meine familiäre Situation und
auf mein Privatleben, möchte ich herausfinden, was ich falsch mache.
Da ich in Bezug auf meinen Glauben an die katholische Kirche gerade
eine sehr große Fragestellung erlebe, habe ich mich der Scientology
Kirche zugewandt in der Hoffnung dort Lösungen und Antworten für
meine Themen zu finde. Heute Nacht geträumt, ich bin in einer
Kirche, die abbrennt. Die Türen waren von außen verriegelt. Keiner
konnte hinaus, wir sind fast alle verbrannt und beinahe gestorben,
bis wie durch ein Wunder der Brand von einem Gewitter gelöscht
wurde. Es gab über dreihundert Tote. Ich habe überlebt und geholfen
die Leichen zu vergraben.
Alle
Erinnerungen holen mich immer wieder ein.
Ein
Horror, aber zurück, zu meinem Thema. So interessiert es mich zum
Beispiel dafür, in einer Gemeinschaft von Menschen zu erleben, die
sich und die Welt verbessern wollen. Dass das Gute siegt und siegen
kann, wenn es sich aufmacht, das Böse zu begreifen und zu schwächen,
daran glaube ich. Der Traum wird wahr. Ich erinnere mich an einen
Film, in dem waren Juden so eingesperrt, in England, aber es hat
keiner überlebt. Dir ist es gelungen, Du lebst in Berlin!
Gratuliere. So hat es doch noch geklappt und Du konntest in den
Westen. Super, ich freue mich für Dich. Schreib mir, ja, ich freue
mich auf eine Antwort. Gott hat kein Gewitter geschickt. Das war mein
Traum. Ich hoffe aber, dass ich diese Hoffnung niemals aufgeben muss.
Und das Gute wirklich siegt, eben im Kampf gegen das Böse. Wie
schwer mein Herz ist! Nachtwachen! Bonaventura macht mich sehr
nachdenklich. Ich komme immer wieder auf verschieden Tollheiten.
Schreibe die süßesten Liebesbriefe. Bin so verliebt. Alle anderen
Verehrer können mir wirklich gestohlen bleiben. Sein Foto drück ich
an mein Herz. Jede Nacht vorm Einschlafen küsse ich es und träume,
träume dass er mein wirklicher Geliebter wird. Der geliebte Mann
meines Lebens. Sein Briefe sind mir das Liebste und das
Heiligste, was ich hier besitze! Von Tag zu Tag
wird meine Laune schlechter. Alles geht mir hier auf die Nerven! Es
ist so eng, so eng hier. Die Zellen sie geben jedem nicht einmal zwei
Quadratmeter Platz. Ich drehe durch! Da muss man ja Klaustrophobie
bekommen. Heute scheint die Sonne! Denke immer wieder an Mutter
Courage. Frauen können wirklich stark sein. Als meine erste
Herangehensweise war es herauszufinden, wie ich mir eine berufliche
Zukunft erträumen würde. Also was sind meine Träume heute? Ich
will hier raus! Freiheit! Frei sein, ich will nur noch frei sein.
Gefängnis, das ist doch wirklich eine Sackgasse. Endstation
Sehnsucht! Die Antwort ist eigentlich neu und doch alt. Also ich
würde gerne in die Lehre und Forschung gehen können und universitär
einen Fuß hineinbekommen in das Getriebe derer, die denkend die
Schüler von morgen dahin bringen können sich besser zu entfalten
und weniger Fehler zu machen, als wir bzw. meine Generation es noch
getan hat. Dahinter steht auch eine Genderthematik. Als nächstes
schaue ich wieder einmal auf die Realität. Und dann bin ich wieder
bei Brecht und bei der Arbeit von Peter Zadek am Deutschen
Schauspielhaus. Ich bin wirklich eine Zeitzeugin, dieser Zeit. Lulu
mit Susanne Lothar und Andi, und all die Gastspiele. Reineke Fuchs
von Bogdanov und, und, und wie ich diese Zeit dort geliebt haben.
Minks und seine Bühnenbilder. Das Ensemble und die Routine der
täglichen Abendvorstellungen. Die Stimmung im Haus mit Paulus Manker
und all den anderen wie Uwe Bohm und die Heldinnen, die Frauen. Heute
Nacht war ich in der Kunstakademie in Prag, wie wir hinten bei den
Bildhauern fotografiert haben und wie ich mich entspannt habe,
angelehnt an die Objekte mit der Sonne zu schmusen. Mich unter dem
Auge der Kamera zu rekeln. Ich liebe es Model zu stehen. „I am a
model..., forever?“ Ich weiß Du träumst genauso von Flucht, wie
ich. Aber wir müssen hier durchhalten. Mein Traum Dich zu heiraten
ist das Beste. Ich liebe Dich und freue mich so Dich getroffen zu
haben. Geh nicht weg ohne mir weiter zu schreiben. Ich muss
sicherlich noch zwei Monate oder drei hier bleiben. Bitte bleib meine
Freundin, ja. Dein Valerie P.S. ich bin sehr eifersüchtig, wegen dem
Jungen vom anderen Trakt, der immer sagt wie schön Du bist! Also, in
der Schweiz habe ich eine sogenannte ruinierte Position. Meine Karten
auch schlecht. So ein schöner Tag. Die Sonne scheint richtig in mein
Herz. Ich hatte sehr viel Aufmerksamkeit und Scheinwerferlicht. Alle
mögen mich. Wie beliebt ich bin. Das ist wirklich erstaunlich. Und
dort ist das Niveau so hoch, dass ich kaum mithalten kann, auf der
Uni. Dann blicke ich über meinen Tellerrand hinaus und sehe Chancen.
Nur diese gehören gut vorbereitet. Und dann sehe ich mein privates
und familiäres Leben an und weiß genau, dass ich meine Bindungen
erhalten will. Zurück zu den Grundlagen und Daten aus „Probleme
der Arbeit!“ Franz Kafkas, Prozess und Amerika sind die Werke die
gerade meinen Alltag füllen. Heute Nacht habe ich dann davon
geträumt, dass ich einen Wald durchqueren muss, ganz allein, der
fürchterlich wild und gefährlich ist. Zum Schlafen suche ich mir
immer einen großen Laubhaufen und buddle mich ein. Ich vermisse den
Wald. Es wäre schön, wenn ich mit dem Job als Dozentin beginnen
könnte. Auf dem Land zu leben. das wird mir gefallen. Der Wald am
Stadtrand, war ja lange ein wichtiger Bestandteil meines täglichen
Lebens. Bäume, Natur, freie Tiere. Ich möchte wieder frei sein. Ich
fühle mich im wahrsten Sinne des Wortes eingesperrt! Der Zustand des
Seins ist als das Ergebnis davon definiert, eine Identität
angenommen zu haben. (Aber wer bin ich?) Zum Beispiel den eigenen
Namen, der eigene Beruf, die eigenen körperlichen Merkmale. (Wie
sind meine?) Blaue Augen, braune Haare, ein hübsches Lachen und
sonst? Also wen gibt es dann heute? Da benutze ich einmal das ARK
Dreieck: Eine Frau die, die Affinität hat zu glauben sie könne die
Sterne vom Himmel holen. Eine erwachsene Frau, eine abenteuerlustige
Visionärin, die sich auch als Kampagnenentwicklerin für die
Theaterszene sehen könnte und als Propagandistin und Sprachrohr für
Menschen und deren Meinungen, die zu kurz kommen. „Just yesterday
morning they let me know you where gone. Suzanne the plans they made
put an end to you! I dream a dream!“ Ich träume davon einen
Förderer zu finden, der es mir ermöglicht alle Bilder meines Lebens
zu malen und alle Geschichte zu erzählen, die, welche ich bereits
erlebt habe und jene, welche ich noch erleben werde!
Die ewige Frage nach der Identität, die ständig verloren geht.
Zurück, wie
finde ich mich, wer ich bin und wer ich sein werde? Heute, an einem
Märztag, grau und ernst habe ich mir vorgenommen einmal die
Geschichte meiner Ehe der schönen Seite zu betrachten. Nun ist viel
Zeit vergangen. Inzwischen ist die Mauer gefallen. Japan ist fast
untergegangen und China wird immer mächtiger. Und Du? Was machst Du?
Was ist aus Dir geworden. Magst Du, wenn ich über Dich schreibe?
Wenn ich berichte, wie traurig und zugleich schön Du immer warst?
Schreib mir, es würde mich sehr freuen. Mich mit anderen Rollen und
Personen zu identifizieren, das hätte eigentlich auch eine gute
Schauspielerin aus mir gemacht. Aber ich wollte ein größeres Leben.
„Liebesgeschichten, die gut ausgehen“, von Isabel Allende, Doris
Dörrie und anderen, die brauche ich immer wieder und an ein Happy
End glauben zu können. Scheidung der Eltern das ist immer ein Drama,
für jedes Kind. Ich habe es auch besonders schlimm empfunden. Wenn
dem so ist, das ich damit auch noch heute meine Familie vor den Kopf
stoße, dann tut mir das leid. Weil ich meiner Mutter ihre Liebe und
ihre Ehe wirklich gönne und denke, dass sie sehr glücklich ist.
Perspektiven, wie man etwas betrachtet und in welchen Zusammenhängen
vergangene Ereignisse bewertet werden haben immer auch eine Bedeutung
für das Heute. Daher möchte ich klug sein und niemanden verletzten
und schon gar nicht die Zukunft meiner Kinder irgendwie negativ
beeinflussen. Überhaupt habe ich nur noch meine Kinder und die
Nachwelt im Kopf, wenn die Mutter meines Schatzes sagt, sie stirbt
bald und wenn sie sich wünscht, das alles vorbei ist, dann denke
ich, sie sieht gut und glücklich aus. Was ist mit ihr? Warum ist sie
müde vom Leben?Es bleibt immer ein Thema, wer war der blaue Reiter?
Mut zur Wahrheit, bedeutet eben auch sich nicht zu scheuen vor der
Kritik und den Gemeinheiten der Allgemeinheit. Dem hässlichen Gerede
zum Beispiel. Ich liebe es, wenn ein zartes Band gesponnen wird,
zwischen Ereignissen, Gedanken und dem Wollen und Träumen. Was das
für schöne Namen sind: Isamu, Reiko, Goro, Nomi, Shidzue. Was ist
das, ein japanische Identität? Denke immer an den Kimono, den meine
Mutter getragen hat. Das muss doch eigentlich ein Geschenk meines
Vaters gewesen sein. Die Bilder, das Wörterbuch und all die Pakete
und Geschenke, wie ich sie mochte. Wie ich mich nach einem Leben mit
ihm gesehnt habe. So gerne hätte ich meinen Vater begleitet, so
gerne wäre ich bei ihm gewesen. Julie Shigekuni, die die Brücken
der Sehnsucht geschrieben hat, berührt mich sehr. Ein neues Leben in
San Francisco zu leben, als Japanerinnen. Das ist bestimmt schwer
gewesen. Ich identifiziere mich immer mit den Kirschblüten und dem
Sushi-Essen. Liebe Suzanna Zuep, Du bist wieder zurück in Moldawien?
Es scheint so, als wenn Dein Wunsch die Kluft zwischen Arm und Reich
zu bewältigen und in den Westen zu kommen und dort ein eigenes
Modegeschäft zu besitzen nicht gelungen ist. Bist Du jetzt reich?
Lebst Du in einem schönen Haus, oder bist Du arm geblieben? Du bist
so unglücklich gewesen, weil es Dir nicht gelungen ist, in den
Westen zu kommen. Schon damals nicht. Es tut mir leid, das Dein Traum
gestorben ist. Deine Anuschka, schick mir doch bitte ein paar Bilder,
wie Du jetzt aussiehst, ja, für mein Buch. Vielleicht liebe ich
daher den Frühling hier so sehr. Das Schreiben gehört zu meiner
Lieblingsbeschäftigung. Daran gefällt mir alles. Das Layout zu
machen und die Auswahl der Texte und Geschichten, die klassische
Präsentation und die Qualität, eines Verlages sind mir wichtig.
Jahre später, ich sitze über der Überarbeitung und in Erinnerung
an meine Zeit im Gefängnis und was es heute aus mir gemacht hat, ein
Häufchen Elend, welche immer wieder Angst davor hat wieder ins
Gefängnis zu kommen. Ein neuer Tag, Franz Leslie arbeitet an den
drei Beethoven Sonaten Nr. 1 A-Dur, Nr. 9 A-Dur und Nr. 10 G-Dur für
das Konzert am 17. Januar in der Münchner Residenz im Max-Joseph
Saal mit Andrea Gajic. Katja schreibt und ich sitze nach einem
schönen Frühstück in dieser kreativen Atmosphäre und denke an
meine Mädchen in Kirchdorf, die jetzt aus der Kirche kommend
glücklich mit der Gerlach-Cousinage spielen. Zu mindestens hoffe ich
das. Ob sie im großen Haus sind, oder bei den Großeltern? Dietrich
Dörner, „Die Logik des Misslingens“, strategisches Denken in
komplexen Situationen. Das beschäftigt mich immer und immer wieder.
Liebe
Marietta Brown, na, hat es geklappt, beim nächsten Mal? Ich freue
mich für Dich, das Du jetzt in Paris lebst. Bist Du glücklich?
Schreib mir doch ein paar Zeilen, wie es Dir jetzt geht, Deine
Anuschka. Liebe Beatrice Bankmann, hast Du die große Liebe gefunden?
Bist Du glücklich? Was macht Dein Leben jetzt aus? Hast Du eigene
Kinder, vielleicht ein schönes Haus? Erzähl mir ein bisschen, was
aus Dir geworden ist. Es interessiert mich sehr. So viele Briefe habe
ich inzwischen geschrieben und so enorm viele Antworten bekommen. Wie
das weitergehen wird, ob es mich ewig verfolgen wird, dieses Kapitel
meines Lebens? Man soll eben keine Experimente machen. Es braucht
immer eine Situationsanalyse, um eine Realität zu begreifen. Fern-
und Nebenwirkungen dürfen nicht außer Acht gelassen werden.
Negative Reaktionen werden falsch interpretiert und dann scheitert
man an der Realität. War es schlimm. Hast Du danach wieder
weitergemacht mit all Deiner kriminellen Energie? Oder bist Du in der
Kreativ Wirtschaft gelandet? Ich stelle mir vor, dass Du fleißig und
klug wie Du bist sicher Karriere gemacht hast, oder nicht? Schreib
mir. Blume, Baum, Vogel. Heute kommt soviel Post. Es wird ein dicker
Roman werden müssen, wenn ich alle Berichte hineinbekommen will. Und
ein großartiger Film. Hab mich schon in eine Schauspielerin
verguckt, die Irene Jakob, aus Frankreich, die wäre sehr geeignet
für die Hauptrolle, hier in diesem Film und den Felix Dünnemann
oder den Lars von Trier würde ich mir als Regisseur wünschen. Oder
besser eine Frau? Rose-Marie Zeppelin, konntest Du Deine Unschuld
beweisen? Was ist aus Dir geworden, wie ging Deine Geschichte nach
der Abschiebung weiter? Bitte schreib mir, ich mache gerade ein Buch
und würde gerne ein paar Zeilen zu Dir und unserer Begegnung
hinein-schreiben. Bist Du damit einverstanden, melde Dich! Oder doch
besser eine Frau? Ja, also das Frauenthema ist hier ja ein großes.
Es sollte ein wirklicher Frauenfilm werden. Meiner? Soll ich selber
Regie machen? Oh, ich bin müde. Außerdem diese ewige Angst wieder
ins Gefängnis zu kommen. Die geht nie weg. Die bleibt für immer.
„Bist allein im Leeren, glühst einsam, Herz, Grüß Dich am
Abgrund dunkle Blume, Schmerz. Reckt seine Äste, der hohe Baum,
Leid. Singt in den Zweigen, Vogel, Ewigkeit. Blume, Schmerz ist
schweigsam, findet kein Wort, der Baum wächst bin in die Wolken, und
der Vogel singt immerfort.“ Ich habe eine große Affinität zu
Landschaften. Die Liebe zu der Ruhe in der Natur und dem Blick über
die Felder geprägt. Fontane ist auch einer meiner liebsten
Schriftsteller. Ich lese sie immer und immer wieder seine Werke.
Besonders der Stechlin hat es mir angetan. Die Herzenskonflikte und
das Nachdenken, sind alles nur Plaudereien und Dialoge, in denen
verschiedene Charaktere irgendwie gemalt werden. Es gibt kaum eine
Geschichte, kaum eine Handlung und doch so viel Poesie und Sprache
und was alles zwischen den Zeilen steht! Liebe Gisele Anders, schade
das Du nicht erst jetzt geboren wurdest. Siehst Du, Europa hat sich
doch ziemlich gewandelt und viele Grenzen sind gefallen. Ist das
nicht schön? Schade, dass Du soviel Ärger deswegen hattest.
Schreibst Du mir, wie es Dir ergangen ist, in den letzten Jahren?
Wenn man so z.B. Wand an Wand wohnt, wie ein Häftling und den auf
der anderen Seite nur beim Hofgang sieht, dann mag man das. Man klagt
seine Not und das reicht um sein Dasein als Figur in einem Buch zu
rechtfertigen. Im Theater ist das anders, da braucht es den
Widersacher! Weiter in meiner Geschichte: Später wurde ich zur
Hochzeit von der älteren Schwester Theodora mit dem Anton Fugger
eingeladen. Von damals gibt es bereits ein schönes Foto von mir im
Park und bei den Sonnenblumenfeldern, ebenso Bilder wo Konrad und ich
an einem Tisch sitzen. Wir sind uns aber nur freundlich begegnet,
weiter nichts. Im Jahr x haben wir uns dann auf einem großen Fest in
Zürich wieder getroffen. Damals bat ich ihn spontan, weil er so
verloren in der Gegend stand, ob er nicht mein Tischherr sein möchte.
Wir saßen dann an einem Tisch, an dem uns keiner kannte und wurden
gefragt, ob wir ein Ehepaar seien. Wir lachten, schauten uns an und
er meinte, was nicht ist kann ja noch werden. Damit begann unsere
Romanze. Wilhelm Schmid steht in meinem Regal zu der damaligen Zeit:
was jeder einzelne für das Leben auf dem Planeten tun kann,
„Ökologische Lebenskunst“. Ich bin begeistert. Wir haben eine
neue Lebenserwartung. Ich liebe offen Grenzen und Beziehungen. Seit
1938 verleiht die Stadt Zürich im Gedenken an Conrad Ferdinand Meyer
den Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis. Lese und lese, lese soviel ich
kann. Zum Glück senden mir meine Freunde alles, was ich brauche um
gut arbeiten zu können und meinen Geist einzudecken. Hat es geklappt
mit Deiner Scheidung? Und was ist aus den Kindern geworden? Hast Du
Dich frei und unabhängig machen können. Bist Du glücklich
geworden? Schreibst Du mir? Ich freue mich sehr von Dir zu hören.
Die Unsterblichkeit wird zum Thema und das sich verewigen. Der
imperativ lautet: Handle so, dass Du die Grundlagen Deiner eigenen
Existenz nicht ruinierst. Dazu brauchen wir aber Analysen und
Zusammenhänge.Die Binnenhandlung erzählt, dass der Mönch Astorre
von seinem sterbenden Vater genötigt wird, sein Glaubensgelübde zu
widerrufen und zu versprechen, Diana, die Frau seines gestorbenen
Bruders, zu heiraten, da sonst die Familie nicht mehr weiter
existieren könne. Diana verliebt sich zwar in Astorre, dieser
erwidert ihre Liebe jedoch nicht. Astorre hadert erst mit seinem
Schicksal, denn er sieht sich um sein Lebensziel betrogen, verliebt
sich dann aber unerwartet in die schöne Antiope. Zur Bestürzung
aller vermählt er sich mit dieser am Tag nach der Verlobung mit
Diana. Der Vorfall gerät zum allgemeinen Skandal und mündet
schließlich in einem dreifachen Mord: Diana rächt den an ihr
begangenen Treuebruch und ermordet Antiope. Daraufhin ersticht
Astorre den Bruder Dianas, seinen Jugendfreund Germano, und wird
schließlich selber vom Schwert des Sterbenden tödlich getroffen.
Also weiter, was ist aus meinem Leben geworden? Wir verbrachten einen
sehr schönen Abend und ich trennte mich mit dem Versprechen ihn
einmal im Sommer zu besuchen, meinen zukünftigen Ehemann. Ich liebte
den Blick aus dem Fenster auf die Kastanie in seinem Haus und hatte
lauter schöne Gefühle und Emotionen, wenn ich dort hinaus blickte.
Franz de Montaigne, Tagebuch einer Reise nach Italien war damals
meine Lektüre. Man reist um sich frei zu machen. Das stimmt. Ich
reise schon lange immer von Prag nach Zürich und dann über München
wieder zurück. Ich kenne ganz Deutschland und ziemlich viel von
Europa. Mit meinem Vater war ich öfters in der Toskana. Die habe zu
lieben begonnen, seit wir unsere Maturareise dorthin unternommen
haben. Florenz und die Uffizien sind fest eingeprägt in mein Herz.
Alle berühmten Gemäldegalerien auf der Welt möchte ich gerne
einmal bereisen. Ich beschäftige mich mit dem Bewältigen von Krisen
und mit Eduard Mörike. Mörike wurde zu
Lebzeiten als bedeutendster deutscher Lyriker nach Goethe bezeichnet.
Trotz der späten Ehrungen erkannten aber nur wenige seine
literarische Bedeutung. Jakob Burckhardt gehörte zu ihnen, oder
Theodor Storm und Iwan Turgenew. Mörike galt lange Zeit als ein
typischer Vertreter des Biedermeier, der die vertraute und enge
Heimat besingt, Georg Lukács tat ihn ab als einen der „niedlichen
Zwerge“ unter den Dichtern des 19. Jahrhunderts. Heute erkennt man
das Abgründige in Mörikes Werk und die Modernität seiner radikalen
Weltflucht. Gedichte (1838, erweitert 1848 und 1864). Aus der Phase
während des Vikariats, in der er versuchte, als freier
Schriftsteller zu arbeiten, stammen u.a. „Die traurige Krönung“
(1828), „Septembermorgen“ und „Er ist's“ (1829). Diese war
von Mörike als Einschub in seinen zweiten Roman geplant, den er aber
wegen privater Schwierigkeiten (Trennung von Luise Rau, Verhaftung
des Bruders Karl) nicht fertigstellte, sondern nur diesen Einschub
beim Verleger ablieferte. Die als Rückblick erzählte Handlung der
Novelle dreht sich um die Begegnung eines Studenten mit einer
Kinderfreundin in seiner Geburtsstadt, die eines Mordes bezichtigt
wird, und die er nach dem Erweis ihrer Unschuld heiratet. Auch hierin
sind Anklänge an Maria Meyer zu finden. Ich identifiziere mich gerne
mich solchen Figuren und ich mag es Parallelen zu entdecken, die
beweisen, das mein Schicksal nicht so ungewöhnlich ist, sondern es
viele fast identische Geschichten, gibt und gab und immer geben wird,
wenn wir nicht lernen aus unserer Vergangenheit zu lernen und den
Geschichten unserer Vorfahren zu lauschen. Ich lese weiter: Mozart
auf der Reise nach Prag (Novelle, Erstveröffentlichung Juli und
August 1855 im Morgenblatt für gebildete Stände Nr. 30–33,
selbständig als Buch dann 1856). “Die berühmteste Künstlernovelle
des 19. Jahrhunderts“. Nach 1856 entstanden keine großen
Prosawerke mehr, und bis zu seinem Tode verfasste Mörike, abgesehen
von wenigen Widmungs- und Gelegenheitsgedichten, kaum mehr Verse.
Übersetzungen.
Mörike war ein exzellenter Kenner der griechischen und römischen
Poesie und veröffentlichte mehrere Übersetzungen. Er übersetzte
unter anderem Kallinos, Tyrtaios, Theognis und einige Homerische
Hymnen. Immer noch suche ich nach einem guten Thema für meine
Promotion. "Krise als Chance" von Kurt Tepperwein. Die
Abschiebehaft war schlimm für Dich, weil all Deine Träume damit
kaputt gegangen sind. Stimmt´s ? Du hast mir so leid getan. Und
jetzt? Du bist ja in Deiner Heimat geblieben? Wie hat sich dort alles
entwickelt, wolltest Du nie wieder weg? Erzähl mir etwas. Ich freue
mich von Dir zu hören. Jetzt passiert etwas Neues und sehr
unangenehmes. Da ich neuerdings auch immer Sorge habe, mich bringt
jemand in die Psychiatrie, oder lässt mich einweisen und wie selber
die Erfahrung gemacht habe. Wie es ist abtransportiert zu werden.
Vollgepumpt mit Tabletten aufzuwachen in dem Bewusstsein, das man
nichts mehr machen kann, als sein Schicksal anzunehmen. Das man Ruhe
braucht und die Schlafmittel einem helfen zu schlafen und die
Schmerzen weniger stark zu erleben. Verspüre neuerdings immer und
immer öfter die Sehnsucht nach dem ewigen Schlaf. Der Sprung ins
kalte Wasser. Der Maler Nolten (1832). Ein Roman, in dessen von
Intrigen bestimmter Handlung Mörike seine eigenen Verstrickungen
verarbeitet, so z.B. seine Begegnung mit Maria Meyer (Peregrina) in
der Figur der Elisabeth. Darin enthalten ist das Puppenspiel „Der
letzte König von Orplid“. Von 1853 bis zu seinem Tod arbeitete
Mörike an einer zweiten Fassung, die mehr dem Realismus als der
Romantik zuzuschreiben ist und als fast beendetes Fragment postum
1877 erschien. Nolten gilt mit seiner Handlung als einer der
düstersten deutschen Romane. Insbesondere durch seine kapitellose,
komplizierte Struktur tut sich die Interpretation schwer, Licht in
sein Dunkel zu bringen. Dramatik als Aspekt von Gliederung und
Verstrickung. Mir gefällt das . Es spricht mich an. Der ist mir
gelungen, mit dieser Verlobung. Wer bin ich? Wo ist mein
Selbstvertrauen geblieben. Ich jongliere. I phantasiere. Ich versuche
einen Kindheitstraum wahr werden zu lassen, ohne genau hinzusehen. Da
ich nach diesem ersten Weihnachtsfest in der Familie, blieb uns nur
das Briefe schreiben. Dazugehören wollen und Anerkennung haben, als
Ehefrau, als ein Teil der Gesellschaft. Dafür muss man eben
mitmachen, aber kann ich das? Ich liebe doch die Opposition. Und das
Theater. Theater ist für mich Verallgemeinerung. Daher will ich
immer weg von mir. Suche mir andere Menschen, andere Geschichten,
andere Landschaften. Ein Szenenwechsel ist wichtig für das Theater.
Und auch die Suche nach immer neuen Publikum. Am Meisten begeistert
mich, wie das Theater, trotz der Mehrheit der Zuschauer im Verhältnis
zu den Schauspielern siegt. Ein Schauspieler ist in der Lage hunderte
von Menschen zu begeistern. Bei den Büchern ist das noch
gigantischer. Da ein Autor, Millionen oder sogar Milliarden von
Menschen erreichen kann, heutzutage. Lilli Blau, Du hast geschrieben,
das Du einen Mann mit einer KFZ-Werkstatt geheiratet hast. Direkt am
Meer lebt ihr. Ist es schön, Dein Leben. Fährst Du viel Auto? Ist
der Traum vom Westen dann endgültig gestorben, nach der Abschiebung?
Schreib mir weiter. Ich freue mich sehr, wenn wir in Kontakt bleiben.
Ich werde ein große Sekretariat beschäftigen können, wenn mir
einmal als Autorin der Kontakt zu all meinen Lesern wichtig sein
wird. Ich Wünsche mich von jedem auch dessen Lebensgeschichte zu
hören und zu einen Schneeball ins Rollen zu bringen, wo jeder jedem
seine Geschichte erzählen mag. Und wo sich alle Menschen für andere
Menschen und deren Geschichten interessieren, um ein bewusstes
Gegenübertreten von Mensch zu Mensch, von jedem zu jedem zu
erreichen. Wenn ich Politikerin wäre, würde ich der Einsamkeit den
Krieg erklären. Jetzt werde ich unterbrochen. Ich soll
weiterschreiben an den Geschichten der anderen und von meiner eigenen
lassen, die ist ja doch nicht so wichtig. Für wen? Als Dokument und
als Reflektion, welch unglaubliche Ereignisse ein ganzes Leben für
immer verändern können. Haben Sie Tagträume? Oder Traumata?
Haben Sie schon einmal Ihre Träume analysiert?
Unbewusst oder bewusst reflektieren Sie Ihre Handlungen? Ist Ihnen
der Besuch von Tragödien am Theater wichtig?Wer reitet so spät
durch Nacht und Wind?
Es ist der Vater
mit seinem Kind;
Er hat den Knaben
wohl in dem Arm,
Er fasst ihn
sicher, er hält ihn warm.
Mein Sohn, was
birgst du so bang dein Gesicht? ―
Siehst, Vater, du
den Erlkönig nicht?
Den Erlenkönig
mit Kron’ und Schweif? ―
Mein Sohn, es ist
ein Nebelstreif. ―
„Du liebes
Kind, komm, geh mit mir!
Gar schöne
Spiele spiel’ ich mit dir;
Manch’ bunte
Blumen sind an dem Strand,
Meine Mutter hat
manch gülden Gewand.“ ―
Mein Vater, mein
Vater, und hörest du nicht,
Was Erlenkönig
mir leise verspricht? ―
Sei ruhig, bleibe
ruhig, mein Kind;
In dürren
Blättern säuselt der Wind. ―
„Willst, feiner
Knabe, du mit mir gehn?
Meine Töchter
sollen dich warten schön;
Meine Töchter
führen den nächtlichen Reihn
Und wiegen und
tanzen und singen dich ein.“ ―
Mein Vater, mein
Vater, und siehst du nicht dort
Erlkönigs
Töchter am düstern Ort? ―
Mein Sohn, mein
Sohn, ich seh’ es genau:
Es scheinen die
alten Weiden so grau. ―
„Ich liebe
dich, mich reizt deine schöne Gestalt;
Und bist du nicht
willig, so brauch’ ich Gewalt.“ ―
Mein Vater, mein
Vater, jetzt faßt er mich an!
Erlkönig hat mir
ein Leids getan! ―
Dem Vater
grauset’s; er reitet geschwind,
Er hält in Armen
das ächzende Kind,
Erreicht den Hof
mit Mühe und Not;
In seinen Armen
das Kind war tot.
Denken
Sie dass es wichtig ist, dass wir uns mit Tragödien beschäftigen?
„Meine zukünftige Frau, Du weißt das ich Dich fragen werde und
das unsere Verlobung bevorsteht, aber willst Du das wirklich? Mir ist
es recht, wenn Du Dir Zeit lässt. Du musst nicht gleich Dein Zuhause
im Schloss aufgeben. Lass Dir Zeit, ich werde warten. Dein Peter.“Das
tat er auch sehr nett und ich fand ihn sehr liebevoll und süß.
Donner Summer, back in love again. Soll ich es wagen, diese Ehe, ohne
Liebe? Ich war nicht besonders glücklich und beschloss für zwei
Wochen ins Kloster zu den Klarissinnen zu gehen um für diese Ehe zu
beten. Das hätte ich dann wohl auch während der Ehe regelmäßig
machen müssen, damit sich all die Schwierigkeiten und Probleme, die
dann kamen nicht so ausgeweitet hätten. Liebe Angela Carlos, bist Du
immer noch so enorm dünn? Es hat mir immer leid getan, Dich so zu
erleben, als jemanden der den Hunger gewöhnt ist. Für uns im Westen
war es nicht so vorstellbar wie viele Menschen es tatsächlich gab,
die zu wenig zum Essen hatten. Die Ausbeutung nicht nur an sich
selbst, sondern der ganze Kapitalismus, alles war doch sehr prägend
für dieses letzte Jahrhundert. Schickst Du mir bitte auch noch ein
paar Bilder Deiner Eltern und schreib mir etwas über deren
Schicksal, ja. Und danke für das Ausfüllen des Fragebogens und das
mitmachen bei meinem Interview und danke das ich Dich erwähnen und
zitieren darf. Danke. Ich hab Dich in guter Erinnerung und es tut mir
so leid, was sie Dir alle angetan haben, vor allem auch die Wärter
damals. Sprache, Geste, Haltung und innerer Mut, das war bei Dir
sichtbar, in jeder Bewegung. Stelle meine eigenen Vermutungen und
Thesen dafür auf. Was für Zeichen muss man setzen um die absurden
Moment im Leben auch für das Theater festhalten zu können? Ich
schaue aus dem Fenster. Erinnerungen kommen hoch.
Also, wie war das? In Klausur. Immer das gleiche. Immer das selbe,
Tag für Tag. Woche für Woche. Die Geräusche von draußen. Was sich
ändert sind die Vogelgeräusche. An Ihnen kann man die Jahreszeiten
förmlich hören. Man lernt der Sprache ganz unbewusst. Es kommt der
Frühling. Die Schwärme kommen zurück. Es kommt der Sommer. Es
kommt der Herbst. Es kommt der Winter. Man hört die Schwärme davon
ziehen, in den Süden. Man will mit. Man möchte ein Vogel sein und
fliegen können. Förmlich und gewiss. Der Flügelschlag. Wieso habe
ich mich nicht täglich hingesetzt und nur gehört, was mir die Vögel
sagen. Soll ich das jetzt nachholen? Ich denke an die Bilder. An den
ersten Vogel, den ich gezeichnet habe. Ich denke an all die
Erlebnisse, die Unbewussten. Die, welche alle auch einmal so wichtig
sind. Ich denke an das Zwitschern. Ich mag besonders gerne die
Krähen. Als Kind habe ich sie auf meinem Schulweg beobachtet.
Täglich hatte ich neue Eindrücke und täglich habe ich sie
beobachtet. Ich möchte es, wie sie über die Spree zogen. Ich mochte
diesen Fluss. Die Spree, mein Schulweg, die Erinnerungen an die
vielen Trauerweiden, dort. Mitten in Berlin. Heute mag ich am
Liebsten den Gesang der exotischen Vögel. Darum liebe ich den Süden.
Sobald ich sie höre, ich kenne sie kaum die Vogelwelt und doch liebe
ich ihre Stimmen. Die Stimme dringt in mein Herz. Als wenn die Welt
draußen zu mir spricht. Nein, ich glaube es nicht. Was ist das eine
Kulisse? Gitter vor den Fenstern. Ich denke an den Satz. Eines
morgens wachte ich auf und war verhaftet. Ich fühle mich aber ganz
gut. Habe gut geschlafen. Eine neue Arbeit. Gerade erst ein paar Tage
begonnen. Mag die Kollegen. Alle haben mich freundlich aufgenommen.
Wieder dringen die Vogelstimmen zu mir. Wir ziehen fort und Du? Wir
kennen sie die Berliner Mauer. Wir, die mit ihr aufgewachsen sind.
Wir wissen es ganz genau. Wie die Straßen von ihr geteilt waren und
wir wir uns eingemauert gefühlt haben. Wir Westberliner. Gar keine
Idee, das sie fallen könnte. Gar keine Idee, das die nächste
Generation den Potsdamer Platz zum Beispiel. ohne Mauer erleben
könnte.
Frei,
wie ein Vogel sein zu können.
Hinzuziehen, in
den Süden, im Sommer und zurückzukehren, wenn die Ernte auf den
Feldern steht?
Ich
bin in Berlin. Ich mag Berlin und ich freue mich das es keine Mauer
mehr gibt. Hier gibt es kaum Felder und Wiesen. Schon, einige wenige,
am Rand, an der Mauer. Landwirte sind kaum mehr da. Die sind hinter
der Mauer. Auf die Felder dürfen wir nicht. Wir, wir müssen durch
die Zone fahren. Wenn ich aus dem Fenster blicke, ist da die
Gefängnismauer. Die andere Mauer, die ist schon gefallen. Ich, ich
bin ja frei, nun, Erwachsen. Die Gefängnismauer hat nicht mehr die
Bedeutung einer Mauer. Die schreckt mich nicht. Ich arbeite ja hier.
Das hier ist nur noch ein Ort für Erinnerungen. Und das hier, das
ist ein besonders wichtiger Ort geworden. Zeitzeugen berichten und
ich. Ich kann das politisch nur unterstützen. Ich freue mich, ich
kann mich mit dieser Aufgabe und Arbeit total identifizieren. Ich
könnte für immer hier im Gefängnis bleiben wollen. Es tröstet
mich. Außerdem habe ich im Grundwald eine schöne Wohnung in einem
Haus mit Schwimmbad und ein Pferd für die täglichen Ausritte. Was
für ein Kontrast. Er nahm meine Hand. Sie fühlt sich gut an.
Er ist ein echter Rocker. Er steht für die
Freiheit und hat sie mit seiner Freiheit und seinem ganz persönlichen
Schicksal bezahlt. Er liebt die Rolling Stones. Er trägt lange Haare
und immer seine schwarze Lederjacke und Weste. Er ist eben ein
Rocker, durch und durch. Am Liebsten spielte er Schach, träumt von
aufregenden Frauen und von der Freiheit. Einem Leben, ohne Mauer. Ein
Leben mit der Möglichkeit tun und lassen zu können, was man will
und vor allem dort hin gehen zu wollen, wo man will und natürlich
auf ein Konzert der Rolling Stones! Musik. Wie wichtig sie ist. Ich
bin mit den Beatles aufgewachsen und mit der Banane Krumm, die wenn
sie gerade wäre, eben keine Banane mehr wär. Also außerdem mit:
"Einer ist keiner, zwei sind mehr als einer, sind wir aber erst
zu dritt, machen alle anderen mit. Einer ist keiner..". Brüder,
zur Sonne zu Freiheit. Wie ich die Mai-Demonstrationen jedes Jahr
geliebt habe und wie wir über die Mauer geschielt haben, mit dem
Gedanken, das es toll ist, was die da probieren. Super, diese Mauer
zu bauen und sich abzugrenzen von den Bonzenschweinen und den
Kapitalisten. Ich träume davon ein Bonzenkind sein zu wollen,
manchmal. Im Gripstheater gefällt mit das Mädchen das alleine auf
der Schaukel sitzt mit Lackschuhen und einem weißen Kleid. Ich aber,
ich muss die rote Zora sein, und die bin ich auch. Mit 15 werde ich
Pankerin und dann haue ich ab, aus diesem Berlin.
Bin auf Trebe,
trampe in die Cramaque zu den wilden Pferde.
Habe Glück,
entkomme einer Vergewaltigung, muss dann in der Nacht alleine zu Fuß
wieder zurück über die Grenze, werde zum ersten Mal verhaftet, aber
nur für ein paar Stunden. Darf dann weitertrampen. Ist ja bis jetzt
auch gut gegangen, dachten die Eltern. War aber nicht so, ging
diesmal nicht gut. Zum Ausgleich gab es ein Zugticket nach Berlin.
Ich gehe nicht zurück nach Hause. Ich gehe in ein besetztes Haus,
nach Bethanien oder an den Oranienplatz. Ich bin frei, ich mache, was
ich will. Ich bin eine Berlinerin. Ich kann selber denken und handeln
und ich bin alt genug, mir nichts mehr sagen zu lassen, mit 15. Raben
und Krähen, die sind extrem unerschrocken und können sich gut
verteidigen! Sie essen im Winter fast nur Mist. Zu meiner Zeit da gab
es so was nicht. Man lebte voll Bescheidenheit. Oh ja, meine Eltern
sind Studenten wir leben zu fünft vom Bafög und wir kommen durch.
Wir brauchen nichts, außer Klavier spielen zu dürfen, Bücher zu
lesen, zu tanzen und wild in der Gegend herum zu galoppieren. Auf
wilden Araberhengsten am Liebsten. Das stimmt auch nicht ganz mit der
Bescheidenheit, denn wir hatten ja tolle Großeltern und außerdem
die Macht der Freiheit der Gedanken und des Geistes. Nichts konnte
uns Kinderladenkinder der Linken aufhalten, die Welt erobern zu
wollen. Wir träumen von Ungarn, von Ferien in der Puszta oder am
Plattensee, fahren nach Formentera und Ibiza. Schlafen am Strand.
Campen wild. Wir sind frei. Wir leben im Wald und wir genießen den
Sommer. Viel Licht, viel Liebe und viel Sonne. Meer mit Quallen.
Tolle Steine und schöne Muscheln. Wir essen was auf den Tisch kommt.
Wir hungern nie. Wir fühlen uns wie die wilde Zora. Unabhängig und
unbesiegbar, stark wachsen wir heran. Sollten wir nicht träumen.
Träume davon, das wir uns frei entfalten können. Das niemand uns
bestimmt und niemand uns zwingt etwas zu tun, was wir nicht wollen.
Selber denken, selber handeln und selber leben wollen wir. Ich bin
doch wirklich eine Rockerbraut. Da kam einer auf einem Schimmel und
ich schickte ihn in den Himmel mit seinem ( ...) . Das war unser
Lieblingswort, denn wir durften das als Kinder der 68 Generation ja
in den Mund nehmen. Nur das Wort natürlich und sonst hatten wir
moralische und ethische Wert zu begreifen. An die echte und wahre
Liebe zu glauben und an den Intellekt.
Es ist wie
gestern. Nächste Woche kommen sie nach Wien, die Rolling Stones. Er
streckt jedem am Liebsten die Zunge raus, wie sie und rockt, was das
Zeug hält. Er scheißt sich einfach nix und sagt immer, was er
denkt.
Ja, ich bin schon
da. Meine Gedanken sind aber nur bei ihm. er hat mich um den Finger
gewickelt, wollte mich manipulieren und mir ebenfalls Macht
zuspielen. das ist ihm gelungen. Ich habe lange gebraucht um zu
begreifen, das er mir seine Geschichte, seine wirklich geschenkt hat.
Nicht die, die er verkaufen muss, als Zeitzeuge, sondern die seines
Herzens. Die Geschichte eines Rockers, der nicht einsehen wollte, das
er seine Zunge im Zaum halten sollte. Er nimmt meine Hand, packt sie
kräftig fest. Komm, ich zeig Dir mein zu Hause, meine Welt! Etwas
tut sich auf, was ich kenne. Also da gibt es Befehle. Der ganze Tag
besteht aus Befehlen. Hier lang dort lang, geradeaus. Stehen, gehen,
setzen. Ausziehen. Anziehen. Still sein. Licht an, Licht aus. Alles
ist Fremdbestimmt. Schlafen, Essen, Liegen. Spazieren gehen, Ruhe,
Bewegung. Aber anders als beim Militär. Gehorsam und unberechenbare
Ausbrüche. Plötzlich, Strafe. Unerwartet. Unangenehm. Ein Schrein.
Schimpf und Schande. Beschimpfungen den ganzen Tag. Wie geht das? Wie
kann ein Mensch das überleben. Satt Liebe und Hilfe. Schimpf und
Schande und boshafte Gemeinheiten. Folter aus Willkür und Lust.
Schaden und Bestrafen 24 Stunden lang, ohne Ende. Es gibt keine Ende,
am Ende nur der Tod. Die Erinnerung, die bleibt aber sogar über den
Tod hinaus. Ich habe mich immer gefragt, warum er so scheinbar dumm
war. Warum hat er sich nicht anpassen können. Warum konnte er nicht
aus seiner Haut und warum konnte er nicht kuschen und klein beigeben.
Warum ließ er sich foltern, warum streckte er seinen Hintern hin und
lies sich verhauen. Und warum hat er dieses stolze Lächeln des
Alleswissers für sich bewahrt.
Was gibt er
uns für eine Botschaft?
Aus
dem Hosenbund zieht er einen riesigen Schlüssel! Soviel Schlüssel
an einem Bund. Das ist der größte Schatz meines Lebens, sagt er.
Also, das ist mir sofort klar, warum. Er geht mit mir in ein oberes
Stockwerk. Dort sperrt er wie in einem Ritual eine große Gittertür
auf. Hinter uns verschließt er sie wieder. Wir werden nie wieder
durch diese Tür gehen. Nie den Weg zurück nehmen. Und doch machen
wir einen Spaziergang in die Vergangenheit. In seine und meine.
Wieder spüre ich den festen Griff. Aber ich muss hinter ihm gehen.
Automatisch gehe ich gleichmäßig immer mit 40 cm Abstand zur Wand
den Gang entlang. Er einen Meter vor mir, immer mit den Augen auf
mich gerichtet. Ob ich alles mache, wie es sich gehört. Er
schließt wieder die Zellentür. Verriegelt sie. Was,
war es das, wird man uns jetzt hier vergessen? Über Nacht, für
immer. Ich erinnere mich. Ich bin allein. Ich denke daran wie das
war. Ich sitze auf dem Hocker. Die Stunden vergehen. Ohne Uhr. Ich
weiß gar nicht mehr, was Zeit ist. Ich sitze da. Ich starre auf die
Luke. Strafe jede Minute. Alles ist Strafe. Ich sitze auf dem Hocker.
Tag- ein tagaus. Es hört nicht auf. Wie ich sitzen muss ist
vorgeschrieben. Die Hände links und rechts. Ich darf auch aufstehen.
Hin und her gehen. Dazu muss ich den Hocker auf die Seite schieben.
Meine Pritsche ist hochgeklappt. Also ich gehe oder ich sitze und ich
versuche ein System zu entwickeln, wie ich ein Gefühl für Zeit
bekommen kann. Einundzwanzig. Einundzwanzig, das ist eine Sekunde. 60
Sekunden sind eine Minute. Also, dann muss ich Wörter entwickeln,
die so lang sind wie das Wort: einundzwanzig“! Und dann kann ich
daraus Wortketten bilden.
ICH
WILL, ABER ICH DARF NICHT!
Ichbingefangen,
ichwillfreisein, ichwilldenkendürfen, ichwillwasichwill,
tununddenkendürfen, ichwillfreiatmenkönnen,
ichwilldurchWiesenlaufen, durchWälder, inWäldernlebenundlieben,
ichwillküssen,
ichwilldasLebenlieben, ichwillfreisein, morgenmöchteichraus,
ichwerdeKraftbrauchen,
meinGeistdarfnichtaufgeben,ichwillwiederichsein,
ichwilllassendürfen,was ichwill, ichwillnichtausdenRhythmuskommen,
ichwillfreidenkendürfen, ichwillnichtfürden Sozialismusleben,
ichmagkeinePolitik, ichwillfreisein, ichwillMenschsein,
ichwilldahinwoichwill,
ichwillalles,
ichwilldieWeltkennenlernen, ichwillmichspüren, ichwillmichrühren,
ichwillkaufen, ichwilllachen, ichwillnichtalleinsein,
ichwillnichtisoliertsein, ichwillhinaus,ichwilllieben,
ichwillstarksein, ichwilldurchhalten, ichwilllausche,
demWindunddenMenschen, ichwilldieVögekhören, ichwillfreisein,
ichwillichsein, lasstmichhinaus, ichwillmichnichtbrechenlassen,
ichwillnichtsterben, ichwillleben, ichwillMenschsein,
ichwillautonomsein, ichwillerwachsensein, ichwillimmehrichsein,
dürfenundwollen, lachenundlieben, ichwilldassiewissen,
dasmanMenschennicht brechenkann, ichwilldassiespüren,
dassieunrechttun, ichwilldassiemeineMachtspüren, Menschzusein,
ichzusein, individuellzusein, ichsein, Menschsein, lautsein,
lachendürfen,liebendürfen, wollendürfen, denkendürfe, ichsein,
ichwillfreisein, ichwillMenschein, ichwillraus,
ichwillhierwiederraus!!!
Allessollneswissen,
keiner darf es vergessen! Ich will ich sein! Jetzt wüßte ich gerne,
wenn ich das Aufnehme, wie lange das ist. Ich probiere es einmal mit
einem Takt. Hätte ich doch eine Stoppuhren dann wüßte ich, es sind
genau eineinhalb Minuten. Und nun, wie geht es weiter. Ich bekomme
meine Blechnapf mit Suppe. Mein Löffel. Alles, was ich
habe.Verhungern lassen sie einen nicht. Ich muss jetzt essen. Wenn
ich daraus einen Rapp mache, eine Schrittfolge und die dynamisch
wiederhole, den ganzen Tag und immer nach zehnmal eine kleine Pause
mache. Dann habe ich einen viertelstunden Takt entwickelt. Mit dem
kann ich den Tag in vier viertel aufteilen. Also viermal den Rapp
sind eine Stunde. Dann mache ich das viermal täglich, zwei mal
vormittags und zwei mal nachmittags, dann habe ich eine Wachzeit von
16 Stunden. Dazu 8 Stunden Schlaf sind vierundzwanzig Stunden. Und
wenn ich gestört werde, dann mache ich immer da weiter, wo ich
aufhören musste. Irgendwann ist der Rhythmus so in mir, das ich
genau weiß was eine Stunde und ein Tag ist und was ein Vormittag und
ein Nachmittag ist. Ohne Irritation. Ohne Störung. Das ist die
totale Illusion. Das wird so nicht gehen. Aber es ist eine gute Idee.
Eben eine echte Utopie?
Hey, schöne Frau!
Ich bin folgsam.
Es sitzt mir im Blut, eingemeißelt für immer. War ich doch gerade
aus der Untersuchungshaft, war ich frei und unschuldig gesprochen,
so blieb ich doch ein Häftling. Ein gewesener. Ein Knastologe, der
es von innen kennt. So habe ich sie selbst gerade erlebt, all die
politisch Gefangenen, Grenzgänger. Ich schaue auf die Luke an den
Zellentüren. Starre förmlich darauf. Gut, heute von außen, nicht
mehr von innen. Das ist eindeutig eine andere Perspektive. Er schaut
mich plötzlich anders an, nicht das ich nackt bin, plötzlich, nein
ich habe einfach nicht mehr das an, was ich an habe und schon gar
keinen Rock. Es ist still um uns. Vor uns die Gänge, die Türen,
alle verriegelt, keine ist offen, damit hier keiner mehr eingesperrt
wird, oder heimlich sich verirrt oder selbständig spazieren geht.
Hier braucht man immer noch die richtigen Schlüssel zur richtigen
Tür. Das zu wissen ist eine Schulung von Jahren. Ein Geheimnis. Ein
Schicksal, für immer. Charly kennt jeden Schlüssel und jede Tür.
Er liebt es Besucher hier herumzuführen. Ob er mit anderen Frauen
auch schon dieses Spiel gespielt hat. Er behauptet nein, aber ich
weiß das es auch gut Lügen kann. Er redet wie er will, lügt wann
er will, provoziert, wann er will und spielt mit allen und jedem. So
habe ich ihn kennengelernt. Das war mein ganz persönlicher Eindruck
von ihm. Wir gehen an lauter geschlossenen Türen vorbei. Manchmal
können wir einen Blick hineinwerfen. Es sind lange Gänge. Immer
dieselben. Wir wandern ewig herum. Dann sagt er, dort hinein. Wir
gehen hinein. Er sperrt die Tür ab. Es ist seine Zelle. Stille.
Erinnerung, an das Weinen. An das Klopfen. Das Weinen. Das
Schluchzen. All die Geräusche. Das Schleife. Man hört sie Jaulen
und Heulen, die anderen. Man hat keine Hoffnung mehr. Man hat nur
Brot. Kein Spiegel. Bei der Toilette wird zugesehen. Tagelanges
Weinen. Lust auf Selbstmord. Keine Chance. Kein Gürtel. Keine
Strümpfe. Kein Besteck. Nur ein Plastiklöffel. Gedanken und Lust
auf das Verhör, dass man endlich eine Unterhaltung hatte. Man musste
immer auf dem Hocker hocken, oder man durfte hin und her laufen. Man
verliert die Zeit für die Tage. Man hat nur noch seine
Fingernagelstriche an der Wand. Die wurden aber regelmäßig
entfernt. Nur den Hofgang, in der Kälte. Man zittert, man wird
mürbe. Man hat nichts. Wenn sie mir sagen, was ich hören will, dann
bekommen sie auch einmal ein Zigarette. Die Familie, die wird
ausgelauscht. Alles wird ausgehorcht. Jeder wird zerbrochen. Die
Erinnerungen bleiben, die gehen nie mehr fort. Nur die Vögel, die
können davon ziehen. Ich hocke auf dem Hocker. An die Wand durfte
man sie nie anlehnen. Ich schaue aus dem Fenster. Man sieht nichts,
es ist mit Milchglas versehen. Diesen Ziegelsteinen, durch die nur
ganz wenig Licht kommt und schon gar keine Luft. Und feste
Gitterstäbe. Er sagt setzt Dich. Ich schaue zur Luke, ob ich
Schritte höre. Nichts. Er schaut mich an. Sein Gesicht schaut sehr,
sehr traurig aus. Das ist mein zu Hause, sagt er.
Willkommen auf
meiner Bettstatt.
Danke,
denke ich, das ich mich setzen darf. Wie viel Jahre, wie lange hat er
hier gelebt, genau hier? Sehr lange, keine 20 Jahre, aber ein ganzes
junges Leben. Was soll ich alles erzählen, ich lausche den
Interviews der Zeitzeugen. Ich höre mir an, Tag für Tag. Was sie
sagen. Wir sprechen und dann an anderer Stelle. Das geht nicht. So
geht es nicht. Da wird nicht lange diskutiert. Es wird klar gesagt,
das man sagen muss, was gehört werden will. Hey, schön das Du da
bist. Er nimmt mein Gesicht in die Hände. Mir wird schwer ums Herz.
Seine raute Stimme zeigt so viel Gefühl, wie man es bei einem Mann
selten sieht. Fast nie. Ich komme mir vor, wie sein größter Schatz,
sein Kind, seine Tochter, seine Geliebte, sein ein und alles. Er,
sagt, "Du" , du erfüllst mir gerade den größten Wunsch
meines Lebens, jetzt kann ich sterben. Er schaut mich an. So eine
schöne Frau, die wollte ich haben. So ein Mädchen, hier bei mir,
an meinem Herzen. Du bist es, Du bist mein so lang gelebter Traum,
danke! Wir fragen Zeitzeugen. Wie war das eine Flucht zu planen? Wir
hatten viel Freiheiten in der DDR. Ab drei Jahren waren wir im
Kindergarten. Dann kamen wir in die Schule. In der Freizeit durften
wir immer spielen. Wir haben draußen gespielt. Wir haben auch viel
Mist gemacht. Wir haben es schön gefunden in der DDR. Ein sehr
freies Leben. Natürlich kam auch einmal die Zeit vorbei. Schritte!
Angst, hat uns jemand gesehen. Wir sind ganz keusch und sehr
schüchtern. Eine Gruppe geht den Gang entlang. Wir werden nicht
bemerkt. Die Luke ist dicht. Ich atme auf, schau auf das Eisengestell
des Doppelbettes. Mein Blick wandert zur Kloschüssel und wieder
zurück zu ihm, den Held der Anstalt. Er schaut gut aus, sehr
verwegen und sehr stark. Mein Herz bebt. Es ist sehr erotisch, wird
er etwas von mir wollen. Nein, er hat gesagt, er erzählt mir seine
ganz persönliche Geschichte, von seinem ganz privaten Kampf, gegen
ein Regime und gegen eine Mauer. Eine Mauer die nie vergessen werden
darf, weil sie das Schlimmste war, was man einem Volk antun kann. Ein
ganzes Land teilen und einsperren. Ich weiß, ich bin mit den Fahrrad
an der Mauer zur Schule gefahren. Ich hatte Sorge, wenn wir über den
Check Point Charly fuhren. Die Zone, eine unheimliche Geschichte.
Transit. Nicht links und rechts schauen, schnell durch, möglichst
ohne Pause. Ach, wenn er wüsste. Wie verliebt war ich in den
Marxismus, in die schönen Märchenfilme aus Prag. Wenn er wüsste
wie poetisch und stolz ich war, auf ein so politisch starkes Volk,
das wir im Herzen sangen. Brüder, zur Sonne zur Freiheit. Und jetzt
steht er vor mir, Charly. Er der nie frei war, sondern immer
eingesperrt und der nur einen Traum noch hatte. Einmal mit einer
schönen Frau in seiner Zellen in den lieben Tag hinein, den Gedanken
nachzuhängen. Langsam zogen Wolken auf. Wir merkten, das es
Nachmittag wurde. Komm. Er nahm wieder
meine Hand und sperrt die Tür auf. Komm
ich muss Dir noch einen anderen Raum zeigen. Wir gingen hinauf und
hinunter. Ich fühlte mich wie ein Häftling. Ganz vertraut. Ich
erinnerte mich an alles, was ich gerade ein paar Wochen zuvor selbst
erlebt hatte. Das Stiegenhaus, die Türen, die Fenster. Alles sah
genauso aus, wie ich es selbst erlebt habe. Grau, blau, grau und
Staub und Metall. Manchmal Risse, ansonsten Schilder und immer Türen,
die auf und zu gesperrt werden mussten. Die Schlüssel klirren. Das
wichtigste Geräusch. Es klingt gut, wenn sich der Schlüssel dreht.
Schritte und Stille und Schritte, und Türscharniere. Ein Schloss,
ein klirrender Schlüssel, ein Klicken und wieder Stille und Schritte
und ein "komm". Er nimmt meine Hand. Sie ist jetzt etwas
feucht. Kommt schau. Er sperrt einen großen Raum auf, mit 8
Stockbetten. Komm, daher. Setz´ Dich daher. Voller Zärtlichkeit
nimmt er wieder meine Hände, führt sie vorsichtig zu seiner Hose.
Komm, bitte lass mich Dich ansehen. Ich will nur schauen.
Bitte lass
mich.
Ich sage nein.
Setze mich. Wir schauen wieder zu den vergitterten Fenstern. Er
schließt die Tür. Mir wird heiß. Sehr heiß. Also doch? Dann
beginnt er zu erzählen, von den langen Jahren im Knast. Von den
kurzen Moment der Freiheit, bis er wieder verhaftet wurde. Von den
Folterungen und all seinem Märtyrerdasein. Aber er hat sich nicht
brechen lassen. Er, ist er geblieben und er hat sich in Phantasien
gerettet. Das liebste ist ihm der Anblick eines süßen Schoßes. Und
der Gedanke daran allein, der reicht schon. Ein Klicken, die Luke
geht auf. Ein Kollege, hallo! Ah, Du bist es. Er schließt wieder die
Tür. Verriegelt er sie. Was, war es das, wird man uns jetzt hier
vergessen? Über Nacht, für immer. Alles ist irreal. Und da ist
dieser Rocker und seine Geschichte. Er baut sich vor mir auf, flehend
und sehr sexy. Nimmt wieder mein Gesicht in seine Hände und läßt
seine Gedanken schweifen. Stille. Ach, kein Lufthauch. Ich atme und
schaue mich um. Es ist mir vertraut, auch ich fühle mich zu Hause.
Auch ich fühle mich wohl. Auch ich denke an meine Phantasien, schaue
zur Luke, ob jemanden sie geöffnet hat. Keine Geräusche, nichts.
Also, gut. Er macht was er will. Er macht alles, so wie ich will und
ich träume und lasse meine Gedanken dahingleiten. Ich rühre mich
nicht. Sitze still und fühle. Fühle mich als Gefangene, Gefangene
nicht nur der Sehnsucht, sondern auch einer Situation. Was war das?
Ein zu Hause? Eine Wohlbehagen in Gewohnheiten? Ja und ein knistern
in der Luft. Weil jetzt die Erinnerungen an die Phantasien und
Stimmungen der Lust und der Launen kommen. Ja, sie ist da, diese
enorme erotische Atmosphäre zwischen den Wächtern und den Insassen.
Ja, es ist so intim, dieses Zusammenleben auf so engem Raum, das es
eben alles sehr nah wird. Wir schauen uns an. Zeit vergeht. Jahre
vergehen. Gedanken schweifen herum. Der Boden, blitz- blank. Alles
ist desinfiziert und abgespritzt gegen Ungeziefer. Hier gibt es keine
Kakerlaken, keine Fliege und erst recht keine Ameisen. Tiere können
hier nicht leben. Menschen müssen das. Jahrelang. Unten im Keller
die Mauernischen für die Folterung, die Schweinegruben für den
Abschaum derer, die nicht an den Marxismus geglaubt haben. Für die
Wiederstandkämpfer. Eben für die echten Rocker! Es ist unser
Jahrestag! Sein Todestag? Aber er ist mehr als einmal gestorben. Jede
Folter ging über das Sterben hinaus. Jeder Hofgang ein Tod des
Herzens. In Memoriam an einen der Auszog das Fürchten zu lernen und
sich im Herzen das Lieben erhalten konnte. An einen, den keiner
vergessen sollte, an einen Robin Hood des 20. Jahrhunderts!ein Staat
der seine Bürger alle überwacht. Heute ist es normal. Heute wird
die ganze Welt überwacht. Aber damals. Alles ist mit deutscher
Gründlichkeit geplant. Wie konnte man sie verunsichern, die Bürger.
Wir sind enttäuscht. Parolen können nicht täuschen. Spitzel sind
überall. Jeder beobachtet jeden. Jeder weiß alles. Der Pfarrer
erhält plötzlich Post. Was ist denn das? Die Fronten sind geklärt.
Bedingungslose treue. Die Treue. Die ist Wichtig. Lernt und arbeitet
fleißig. Wenn Euer Leben einen Sinn haben soll, dann müsst Ihr Euch
täglich und stündlich für die DDR entscheiden. Für den
Sozialismus.
Charly entwickelt
viele Strategien, Gedanken und Gefühle und blieb ein Mensch. Einer,
der er war, ein rockender Rebell, immer ein Lied auf den Lippen und
ein Wiederwort. Nun bin ich in die Zukunft geschweift, obwohl wir
noch immer in dieser Großraumzelle sind. Wir haben geträumt. Er
nimmt meine Hand, sagt danke. Und dann nimmt er seinen Schlüssel
sperrt die Tür auf. Geht hinaus. Wirft einen Blick in den Gang.
Keiner da. Wir gehen weiter immer weiter. Noch einige Gänge. Dann
durch den Hof, dann zum großen eisernen Tor. Er steht davor, die
Sonne geht unter und Charly stirbt nie.
Gone, bit not
forgetten.
Wenige besitzen
viel und viele besitzen wenig. Selbst wenn es Hohenschönhausen als
Gedenkstätte einmal nicht mehr geben sollte, selbst dann bleibt er
der Rocker seiner Zeit, der die Freiheit mit seiner Freiheit bezahlt
hat.
Er
streckt die Zunge raus. Atmet tief durch. Er liebt es vor, diesem Tor
zu stehen. Welch unheilvoller Name. Hohenschönhausen. Als
ich das erste Mal durch das Tor ging holt mich die Ohnmacht ein. Als
Häftling habe ich das alles nicht gesehen. Aber als ich dort im Haft
war, da habe ich das alles nicht gesehen. Während meiner Haftzeit
wußte ich das gar nicht, wie das dort aussah. Ich kam da hinein, als
politischer Häftling. Ich kannte das alles nicht, wie das heute
aussieht, wenn man von Außen, hineingeht und eine Besichtigung
macht. Die Schuld muss bewiesen sein. Die Akte muss stimmen. Der Tag
der Befreiung, den habe ich nicht erlebt. Ich war damals in
Lagerhaft. Das Ende des Krieges. Eine neue Zeit. Die Konferenz der
Siegermächte. Die Regierungsgewalt wird übernommen. Viele haben
Hoffnungen. Nazielite kam nach Hohenschönhausen. Staubmantel.
Dolmetscher. Sie müssen mal mitkommen. Nehmen sie Ihre Decke mit. Es
kann länger dauern. Als alles zu Ende war. Die Jugend wurde
Volkssturm. Ich war kein Werwolf. Ich habe keine Vernehmung erlebt in
der ich nicht ins Gesicht geschlagen wurde. Und wenn ich nicht
gefällig antwortete, wurde ich wieder geschlagen. Man hat nur einmal
nicht unterschrieben, was einem einmal vorgelegt wurde. Kahlgeschoren
wurde man bei der Ankunft. Die Pritschen mussten mit mehreren geteilt
werden. Bis zu 4.000 waren wir in diesen verwanzten Lagern. Ohne
Toiletten, ohne Waschgelegenheiten. Keine Gespräche. In den Lagern
gaben es keine Gespräche über die frühere Vergangenheit. Ein
großes Schweigen. Aber es gab ein Lagertheater. Das war ziemlich
gut. Den Prolog aus dem Faust, den habe ich sogar auswendig gelernt.
der Kurs wurde vorgegeben. Die SED wurde die Einheitspartei.
Dann sagt er zu
mir. Und Weihnachten, da spielen wir Schach und ich lege Dich matt.
Und zwar nicht nur einmal. Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen
besteht aus den Räumlichkeiten der ehemaligen zentralen
Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit der DDR, die von 1951
bis 1989 in Weißensee bzw. Hohenschönhausen in Betrieb war. Dort
wurden vor allem politische Gefangene inhaftiert und physisch und
psychisch gefoltert.[1] Heute existiert an gleicher Stelle eine
Gedenkstätte als Erinnerungsort für die Opfer kommunistischer
Gewaltherrschaft in Deutschland. Die Gebäude der ehemaligen
Haftanstalt wurden 1992 unter Denkmalschutz gestellt. Die
Gedenkstätte ist Mitglied der „Platform of European Memory and
Conscience“.
Es
klingelt. Heute schon zum zweiten Mal. Diesmal gehe ich ans Telefon.
Eine vorsichtige Stimme. Ist da? Ja,... ich bin es. Sofort kenne ich
seine Stimme, seine Art. Pause, Stille. Kein Wort. Ich bin so außer
Atem. Sagt er. Wir haben uns lange nicht gehört. Völlig aus den
Augen verloren. Wo bist Du? Nächste Woche bin ich in Paris. Schön.
Ich war noch in Deiner Wohnung in München Grünwald. Aber da warst
Du gerade ausgezogen. Ja. Schön Dich zu hören. Was machst Du? Ich
pendle immer noch. Ja. Ich weiß das nicht mehr. Was ist passiert
inzwischen? Du hattest soviel Angst. Warst Du im Gefängnis? Nein.
Verurteilt worden bin ich. Vorher war ich in der Psychiatrie. Ich
hatte große Angst vor einer erneuten Verhaftung.
Ich bin auch
gerade dabei mein ersten Buch zu veröffentlichen. Ja. Ja, und ich
brauche Dich, als Kollegen. Ich habe Angst vor dem Publizieren. Die
Sümpfe der Publicity, die sich dann auftun. Die Interviews und die
Öffentlichkeit. So, wie Du aus Dir dann den Herrn X gemacht hast. So
ändere ich auch ständig meinen Namen. Zu viele Ereignisse. Zuviel
Prominenz und zu viele zu große Geschichten, die ich weiß. Ich
komme mir vor, wie eine Zeitzeugin, die nicht nur einen Mord
beobachtet hat, sondern die Gesellschaft in all Ihren Facetten. Ich
weiß zu viel. Ich kann damit nicht leben. Und all diese Geschichten.
Immer wieder neue. Und ich glaube sie oft und dann wieder nicht.
Lieber..., bitte komm mit Deinen drei Kindern und Deiner Frau zu
meinem fünfzigsten Geburtstag nach Meran. Er weiß unendlich viel
und spricht so hochgestochen, das ringsum alle blass werden. Schöner
stolzer Mann, ich habe gerade die Geschichte der Kinder aus den
Lebensbornheimen der Nazis studiert. Gisela Heidenreich schreibt
rührend darüber. Du bist so einer, ein Sohn der Nazis und was Du
kannst ist, stolz daher kommen. Du bist eine Erscheinung. Du hast mir
immer imponiert und jetzt holt uns unsere Geschichte eine. Die Leben
vorher, die Leben unserer Vorfahren und unserer Eltern! Wer waren
sie? Und was haben sie uns hinterlassen. Die Kunst an Luftschlösser
zu glauben. Du sagst, bei dem zweiten Anruf heute, die Armut ist Gott
sei Dank Vergangenheit. Ich stecke noch mitten drin. Wenn man sich
kein Wasser kaufen kann und auch gratis keines bekommt, dann ist man
an der Grenze angelangt. Hunger, Durst und Kälte. Diese drei Dinge
kann man nur kurz aushalten. Und ich denke, wieder an das Gefängnis
Hohenschönhausen. Die Zellen, ohne Möglichkeit nach draußen zu
schauen. Nicht zu wissen wo man ist. Diese totale
Orientierungslosigkeit. Und was mit der Familie passiert ist. Wo sie
sind.
Ich weiß. Deine
Mutter hast Du nicht mehr gesehen. Sie ist 2009 gestorben. Dein
Vater, der lebt noch. Aber mein Vater und wir, Deine ersten Freunde
hier in der neuen Welt, in München, nach der Flucht. Wir sind nun
Deine Familie. Ich fühle mich verantwortlich für Deine Seele. Als
wenn Du ein Kind wärst meines Großvaters, väterlicherseits,
beziehungsweise ein Enkelkind. Du bist ein Bruder, ein Fluch, eine
Hoffnung, eine Ahnung und auch eine Sehnsucht. Aber das ganze ist
eine Utopie. Weil wir selber Kinder haben. Du drei, ich zwei. Das ist
schön. Das ist wirklich das Schönste. Wie schön und wie
verzweifelt, Deine Sehnsucht nach Jesus. Ich erzähle Dir von den
Mormonen und wie sehr ich es liebe die Idee, der Keuschheit vor der
Ehe. Und dann den einzigen, den einen Partner zu lieben. Ein ganzes
Leben lang. Ich hatte nie so tolle Noten wie Du, aber ich habe
mindestens genau soviel gelesen. Möchte ich behaupten. Deine Noten
helfen Dir jetzt, jetzt hast Du gute Arbeitsmöglichkeiten und neue
Aufgaben vor Dir. Ich bleibe ewig scheiternd, weil ich die Blockaden
nicht wegbekomme. Die Blockade mich nicht zu trauen. Über heiße
Kohlen gehen. Was für eine absurde Idee. Wozu. Aber ich bewundere
diese Kraft, es zu wagen, den ersten Schritt zu tun und sich mental
zu überlisten, das es feuchtes, nasses Moos wäre. Toll, das es das
gibt. Die Kraft über sich hinauszuwachsen. Im Gefängnisleben
braucht man das täglich, andauernd. Irgendwie kann man das auch
sofort, weil man ja sonst die ganzen Qualen und Terrorprozeduren gar
nicht überstehen könnte. Jesus, wann bin ich endlich bei Dir? Nach
dem Schulabschluss wurde er in der kaufmännischen Geschäftsleitung
der Sekte tätig. Trotz seiner rebellischen Haltung gegenüber der
Sektenführung schaffte er es, seine Position innerhalb der Colonia
auszubauen und zu festigen. Von dieser Stellung aus konnte er
Einsicht nehmen in die Machenschaften der Gruppierung, die sich nach
außen als karitative Gemeinschaft darstellte. Wegen seiner
öffentlichen Kritik an der Wirtschaftskriminalität der Sekte wurde
er mehrmals Opfer von Mordversuchen. Als ich das von Dir erfahren
habe, wußte ich, wie gut Du das kannst, über heiße Kohlen gehen.
Du bist wie Charly, den Rebell aus Hohenschönhausen. Du kannst das
alles überleben und bringst Dich nicht um, weil Du ein Sieger Typ
bist. Und weil Du sehr große Ziele hast und Ideologien. Ich habe
begonnen die Geschichte der Utopie von Thomas Schölderle zu lesen.
Durch Deine große Kritik und Deine fundamentalen Erkenntnisse über
das Böse von Machtstrukturen hast Du eine enorme Kraft entwickelt,
ein großer Politiker und Mann zu werden. Aber Achtung. Du hast es
auch in Dir, die Macht zu manipulieren. Und dann gleitet Dir alles
aus den Händen. Ich habe Angst und Sorge. Ich fürchte mich vor Dir
und doch mag ich es, wenn ich weiß, das es Dir gut geht. Also, bitte
pass- auf Dich auf! Und melde Dich ab und zu. Ich werde einen Blog
für Dich einrichten für all Deine Fans und Sympathisanten.
Zum Frühstück
gab es Cornflakes mit Milch. Also, ich bin jetzt eine AMEISE! Fühle
mich klein und sehr winzig. Gehe auf Entdeckungsreise. Eines meiner
Lieblingsbeschäftigungen. Erinnerungen wach halten!Auch nicht, wenn
ich mich verändere. Auch nicht, wenn Du Dich veränderst. Nur wenn
wir alle lernen die Erinnerungen zu schätzen und zu wahren und wenn
wir lernen zu lernen und nicht zu wiederholen, ich denke, nur dann
haben wir eine Chance zu ertragen.
andere Kollegen
und Kämpfer. Ich glaube nicht an den Himmel, aber an Legenden und an
Gedanken, sowie Träume, die bleiben.
Abonnieren
Posts (Atom)